Im internationalen Vergleich handelt es sich bei der deutschen Arbeit auf Abruf nach § 12 TzBfG um eine vergleichsweise stark regulierte Variante. Dazu trug nicht zuletzt die Anfang 2019 in Kraft getretene Reform des Teilzeit - und Befristungsgesetzes (TzBfG) bei. Einen guten Kontrast bieten die britischen Regelungen zu den sogenannten Null-Stunden-Verträgen („zero-hours-contracts“), die wohl zu den bekanntesten und auch am wenigsten regulierten Formen von Abrufarbeit in Europa zählen. Vergleicht man damit die Regelungen in Deutschland, so stechen vier Einschränkungen der arbeitgeberseitigen Flexibilitätsspielräume hervor.
Während in Großbritannien arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen für Erwerbstätige ämit „zero-hour-contract“ durch ihre Einordnung als „worker“ zum Teil außer Kraft gesetzt sind, handelt es sich bei Arbeit auf Abruf in Deutschland eindeutig um abhängige Beschäftigung. Für sie gelten daher sämtliche arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen, also vor allem Kündigungsschutz, Recht auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Um zu vermeiden, dass sich die auf Abruf Beschäftigten gewissermaßen rund um die Uhr zur kurzfristigen Verfügung halten müssen, sieht das Gesetz vor, dass sie nur zum Arbeitseinsatz verpflichtet sind, wenn sie mindestens vier Tage zuvor über den Einsatztermin informiert wurden (§ 12 Abs.2 TzBfG). Allerdings kann diese Ankündigungsfrist durch tarifvertragliche Regelungen verkürzt werden.
Nullstunden-Verträge im ganz engen Wortsinn, bei denen der Arbeitgeber keinerlei bezahlte Arbeitsstunden garantiert, sind in Deutschland nicht zulässig. Arbeitsverträge können zwar ein niedriges Stundenvolumen vereinbaren. Wenn im Arbeitsvertrag eine Regelung zum Umfang der Arbeitszeit fehlt, galt aber bereits seit 1985 ein Mindestvolumen von 10 Stunden pro Woche als vereinbart.
Bis 2019 waren sogenannte Bandbreitenverträge gesetzlich nicht (eindeutig) untersagt. Bei dieser Arbeitsform wurden Beschäftigte mit einem sehr geringen vertraglich garantierten Stundenvolumen eingestellt, konnten im Bedarfsfall aber wie Vollzeitbeschäftigte eingesetzt werden (ein Beispiel aus der Praxis beschreibt Absenger 2014, S. 38). Solche Bandbreitenverträge wurden zunächst seit 2005 durch einige Gerichtsurteile für unzulässig erklärt, welche Ober- und Untergrenzen für die Abweichung von der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit einzogen. Diese Ober- und Untergrenzen blieben aber Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen.
Diese Gesetzesreform von 2019 beseitigt insgesamt einen Teil der bestehenden rechtlichen Unklarheiten, die in der Praxis immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten geführt haben.
Neben der formalen Arbeit auf Abruf nach § 12 TzBfG gibt es allerdings weitere Erwerbsformen, bei denen Lage und Volumen der Arbeitszeit ebenfalls kurzfristig variiert, die rechtlich aber nicht oder nicht eindeutig unter die genannten Regelungen fallen. Neben den Solo-Selbständigen in plattformvermittelter Arbeit lassen sich dazu sogenannte Null-Stunden-Rahmenabkommen, Pools für Aushilfskräfte oder Arbeitszeitkonten ohne jegliche Regelungen zu Ober- und Untergrenzen zählen (ausführlich Jaehrling/Kalina 2019, S. 17ff.). Auch diese Formen haben in der Vergangenheit bereits häufiger die Gerichte beschäftigt, weil in der Praxis die Abgrenzung zur formal geregelten Abrufarbeit nicht immer trennscharf war. Weil die Reform der Abrufarbeit von 2019 diese anderen Formen außer Betracht lässt, sind hier künftig weitere rechtliche Auseinandersetzungen möglich. Auch für die Akteurinnen und Akteure der betrieblichen Mitbestimmung bleibt die korrekte Anwendung der neuen gesetzlichen Regelungen zur Abrufarbeit und die Abgrenzung zu anderen, zulässigen oder unzulässigen Formen kapazitätsorientierter Arbeitszeitorganisation ein wichtiges Handlungsfeld.