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Ausbildungsgarantie in Österreich: Funktionsweise und Erfahrungen

Die österreichische Ausbildungsgarantie bietet allen Jugendlichen Zugang zu einer beruflichen Ausbildung. Offen ist, inwieweit sich das Modell auf Deutschland übertragen lässt.

  • Die Ausbildungsgarantie in Österreich eröffnet allen Jugendlichen die Möglichkeit zu einer beruflichen Ausbildung.
  • In der Diskussion um eine Übertragbarkeit auf Deutschland spielen Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen den beiden Ländern eine wichtige Rolle.
  • Was eine Ausbildungsgarantie in Deutschland bewirken könnte, hängt maßgeblich von deren Ausgestaltung ab.

Erfahrungen aus Österreich

Erfahrungen mit der Ausbildungsgarantie in Österreich

Die Einführung der Ausbildungsgarantie in Österreich hat einen grundlegenden Paradigmenwechsel im dortigen Ausbildungssystem bedeutet. Seit 2017 haben Jugendliche, die nachweislich keinen Ausbildungsplatz am Ausbildungsmarkt finden können, bis zum Alter von 25 Jahren einen Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung. Sie wird durch den Arbeitsmarktservice (AMS) finanziert. Das ist das österreichische Pendant zur Bundesagentur für Arbeit. Österreicher nennen diese Ausbildungsform „überbetriebliche Ausbildung“, kurz ÜBA.

Ein Blick auf das Ausbildungsjahr 2020/21 zeigt, dass junge Menschen die ÜBA durchaus nutzen.

Die Infografik ist in drei Abbildungen unterteilt und zeigt Zahlen und Daten zur Ausbildungsgarantie in Österreich. In der ersten Abbildung wird die Zahl der Anfängerinnen und Anfänger einer ÜBA den Anfängerinnen und Anfängern einer betrieblichen Ausbildung sowie den Ausbildungssuchenden gegenübergestellt. Ende September 2020 waren in Österreich noch rund 8.400 Jugendliche ausbildungssuchend gemeldet. Diese Jugendlichen hatten zu Beginn des Ausbildungsjahres 2020/21 noch keinen Ausbildungsvertrag abgeschlossen und waren damit Zielgruppe der Ausbildungsgarantie. Zum Ende des Jahres 2020 lag die Zahl der Anfängerinnen und Anfänger einer ÜBA bei mehr als 3.700.   In der zweiten Abbildung ist der Anteil an allen Anfängerinnen und Anfängern dargestellt, der die ÜBA erfolgreich abschließt. Zwischen 2015 und 2020 wechselten durchschnittlich rund 42 Prozent der Anfängerinnen und Anfänger einer ÜBA noch während der ÜBA in eine betriebliche Ausbildung, etwa 23 Prozent schließen die außerbetriebliche Ausbildung mit einer erfolgreichen Lehrabschlussprüfung ab.   In der dritten Abbildung ist dargestellt, welcher Tätigkeit die Absolventinnen und Absolventen ein Jahr nach Abschluss der ÜBA nachgehen. Ein Jahr nach Abschluss ihrer Ausbildung sind rund 45 Prozent der Absolventinnen und Absolventen einer ÜBA tatsächlich in Erwerbstätigkeit: Das sind zwar deutlich weniger als unter den Absolventinnen und Absolventen einer betrieblichen Ausbildung, jedoch erheblich mehr als unter jungen Menschen ohne Berufsausbildung.

Während der ÜBA ist der Übergang in eine Betriebliche Ausbildung  das zentrale Ziel. Dieses wird in gut 40 Prozent aller Fälle erreicht. Auch insgesamt ist die ÜBA lediglich eine Ausweichoption in den Fällen, in denen Jugendlichen trotz intensiver Bemühungen keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden können. Genau wie im deutschen System stellt die Vermittlung in eine Betriebliche Ausbildung  also auch im österreichischen Modell stets das vorrangige Ziel dar.

Darüber hinaus gibt es weitere Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen den beiden Ländern, die bei der Diskussion einer Übertragbarkeit der Ausbildungsgarantie auf Deutschland eine wichtige Rolle spielen.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Ausbildungssystems in Deutschland und Österreich

 

Österreich  

Deutschland 

Hintergrund duale Ausbildung 

 
  • Hohe Bedeutung und lange Tradition der dualen Ausbildung im Betrieb 

  • Für bestimmte Berufe zusätzliche Möglichkeit einer vollschulischen Ausbildung 

  • Im internationalen Vergleich niedrige Jugendarbeitslosigkeit 

 

Einstiegsalter 

Auszubildende im 1. Ausbildungsjahr waren im Jahr 2018 im Schnitt 16,9 Jahre alt 

Auszubildende im 1. Ausbildungsjahr waren im Jahr 2018 im Schnitt 19,9 Jahre alt 

Vorbildung 

1,2% der Anfängerinnen und Anfänger verfügen 2018 über eine (Fach-)Hochschulreife 

22,8% der Anfängerinnen und Anfänger verfügen 2018 über eine (Fach-)Hochschulreife 

Ausbildungsmarkt 

Grundsätzlich marktwirtschaftlich organisierte Vermittlung von Angebot und Nachfrage nach betrieblichen Ausbildungsplätzen 

Ausbildungsgarantie besteht zusätzlich zum regulären Ausbildungsmarkt für Jugendliche bis zum Alter von 25 Jahren und garantiert jeder Jugendlichen und jedem Jugendlichen einen außerbetrieblichen Ausbildungsplatz, sofern diese keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden.  

 

Ausbildungspflicht besteht für Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren nach Beendigung der Pflichtschuljahre 

Quellen: Clemens, 2020; Forstner/Molnárová/Steiner, 2021; Dornmayr/Nowak, 2020

Was eine Ausbildungsgarantie in Deutschland bewirken könnte, hängt maßgeblich davon ab, wie sie im Detail ausgestaltet wird. In Österreich gibt es zwei Varianten, zwischen denen die Jugendlichen wählen können:

Unterschiedliche Varianten

Unterschiedliche Varianten: ÜBA 1 und ÜBA 2

 

ÜBA 1

ÜBA 2

Praktischer Teil

 
  • Außerbetriebliche Lehrwerkstatt und  

  • zusätzliche betriebliche Praktikumsphasen in einem/mehreren Betrieben 

 
 
  • Begleitender Bildungsträger und  

  • fester Kooperationsbetrieb für betriebliche Praxisphasen 

 

Schulischer Teil

 
  • Berufsschule 

 

Angebotene Ausbildungsberufe 

 
  • nur für ausgewählte Ausbildungsberufe auf Basis regionaler Bedarfsanalysen1, zum Beispiel mit Blick auf  

 
  • die Zahl der Neueintritte,  

  • die Fachkräftebedarfe der Unternehmen und 

  • die Berufswünsche der Jugendlichen 

  • Jugendliche mit Förderbedarf  

 
 
  • grundsätzlich für alle Lehrberufe, sofern ein Kooperationsbetrieb gefunden wird 

  • abhängig von regionaler Verfügbarkeit von Kooperationsbetrieben und entsprechender eigenständiger Suche der Jugendlichen 

 

Abschluss 

 
  • Gleichstellung zur betrieblichen Ausbildung 

 

Jährliche Kosten pro Kopf (Neueintritt) 

 
  • rund 15.450 

 
 
  • rund 9.500 

 

Bedarfssteuerung

 
  • Beauftragung der entsprechenden Bildungsträger erfolgt: 

 
  • jährlich auf Basis der regionalen Bedarfsanalysen sowie 

  • in Regionen ohne ausreichende Zahl an betrieblichen Ausbildungsplätzen 

 
 
  • keine 

 

Quellen: Clemens, 2020; Forstner/Molnárová/Steiner, 2021

Bei der Organisation und Realisierung der außerbetrieblichen Ausbildung kommen verschiedenen Akteuren unterschiedliche Aufgaben und Rollen zu:

Rollen und Aufgaben der Akteure

Rollen und Aufgaben der verschiedenen Akteure

    • Zielgruppe: Jugendliche,
      • die am Ausbildungsmarkt keinen Ausbildungsplatz erhalten
      • und bei denen Lerndefizite oder schwierige Lebenssituationen ausgeglichen werden müssen.
    • Altersgrenze: 25 Jahre
    • Voraussetzungen:
      • Nachweis erfolgloser Ausbildungsplatzsuche
      • zehnwöchiger Vorbereitungs- bzw. Orientierungskurs mit begleitender Vermittlungshilfe in eine reguläre duale Ausbildung
    • Vergütung: „Ausbildungsbeihilfe“ unabhängig vom Ausbildungsberuf sowie unterhalb der Ausbildungsvergütung in regulärer betrieblicher Ausbildung
    • Umsetzung praktischer Ausbildungsteil (ÜBA 1)
    • Coaching, Nachhilfe und pädagogische Betreuung bei Bedarf (ÜBA 2)
    • Vermittlungsauftrag: Der Träger unterstützt während der Ausbildung die Vermittlung in eine reguläre betriebliche Ausbildung
    • Umsetzung Vorbereitungs- bzw. Orientierungskurs
    • Beauftragung der Träger der ÜBA
    • Zuweisung der Jugendlichen: Erfolgt entsprechend ihrer Fähigkeiten und Neigungen
    • Vermittlungsauftrag: Der AMS unterstützt vor und während des Vorbereitungskurses die Vermittlung in eine reguläre betriebliche Ausbildung
    • Finanzierung: Größtenteils aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung sowie Steuermitteln der Länder
    • Beteiligung an regionalen Bedarfsanalysen: Auf Basis der Arbeitsmarktdaten sowie der Verhandlungen mit den Sozialpartnern
    • Vermittlung von Praxiserfahrung: Ziel der Kooperation bzw. der Praktika ist die Übernahme der Jugendlichen in eine Ausbildung im Betrieb
  • Beteiligung an regionalen Bedarfsanalysen: Verhandlungen mit dem Arbeitsmarktservice (AMS)

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