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Berufsorientierung – Ein Schritt auf dem Weg zum Perfect Match?

Noch immer brechen viele Jugendliche ihre Ausbildung ab. Kann die frühzeitige Berufsorientierung das Problem lösen?

Wie lassen sich junge Menschen für eine Ausbildung gewinnen? Für viele Betriebe wird diese Frage immer zentraler. Dabei geht es ihnen um zwei Dinge: Wie können junge Menschen überhaupt erreicht werden? Wie muss die Ansprache erfolgen, um ihnen eine berufliche Ausbildung schmackhaft zu machen? Und: Wie können sie bei der konkreten Wahl eines Ausbildungsberufs so unterstützt werden, dass sie die „richtige“ Wahl treffen, also einen Beruf wählen, der zu ihren Fähigkeiten, Neigungen und Erwartungen passt?

Information und frühzeitige Erfahrungen beugen falschen Vorstellungen vor

Anhaltspunkte dafür, dass bei diesen Fragen ein großer Handlungsbedarf besteht, gibt es viele: So haben zum Beispiel Jugendliche, deren Eltern keinen handwerklichen Beruf erlernt haben, ein sehr begrenztes Wissen darüber, welche einzelnen Handwerksberufe es überhaupt gibt (Mischler/Ulrich, 2018). Sie müssen rechtzeitig informiert und aufgeklärt werden: über Berufsbilder, aber auch über spätere Verdienst- und Karrieremöglichkeiten. Außerdem gibt es nach wie vor eine hohe Quote an frühzeitigen Ausbildungsabbrüchen: 2020 wurden 25,1 Prozent aller Verträge vor dem Ende der Ausbildung gelöst (darunter auch Wechsel in einen anderen Betrieb bei Fortführung der Ausbildung) (BIBB, 2020). Gründe dafür können auch Ausbildungsbedingungen oder Konflikte zwischen Betrieb und Auszubildenden sein. Aber auch falsche Vorstellungen über den Alltag im Beruf spielen hier eine große Rolle. Manchmal entscheiden sich Jugendliche auch aufgrund der örtlichen Nähe für einen Ausbildungsbetrieb, wenn andere Ausbildungsberufe mit einer größeren Entfernung verbunden sind – und stellen später fest, dass der Beruf selbst nicht zu hundert Prozent passt.

Deutschlandweit hat sich beim Thema Berufsorientierung in den letzten Jahren viel getan: Alle Bundesländer haben sie in irgendeiner Form in die allgemeinbildenden Schulen integriert. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise seit 2018 flächendeckend und verpflichtend ab der 8. Klasse mit dem Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Berufsorientierung besteht meist sowohl aus Tests und Beratung zu den individuellen Interessen und Fähigkeiten, z. B. einer Potenzialanalyse, und anschließenden praktischen Erprobungen in infrage kommenden Berufsfeldern.

Von zentraler Bedeutung: Partnerschaften zwischen Betrieben und Schulen

Bei den praktischen Erprobungen spielen die Betriebe eine wichtige Rolle. Wissenschaftliche Untersuchungen (z. B. Lipowski et al., 2020) haben gezeigt, dass die wertvollsten Erfahrungen für Schülerinnen und Schüler die „echten“ Einblicke in die Betriebe sind. Wenn sie Tätigkeiten eines Berufs selbst entdecken und erproben können, fühlen sie sich anschließend eher in der Lage, zu entscheiden, ob ein Beruf der passende ist. Solche Tätigkeiten sind zum Beispiel im Berufsfeld Metallbau das Anwenden von Mess- und Prüfwerkzeugen oder im Berufsfeld Medien das Kennenlernen von Software und Schnittprogrammen. Vor diesem Hintergrund haben die allgemeinbildenden Schulen ein großes Interesse daran, betriebliche Partner für Praxismaßnahmen zu finden – wie kürzere Berufsfelderprobungen mit einer Dauer weniger Tage oder Schülerpraktika mit mehrwöchiger Dauer.

Das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT bringt deutschlandweit einzelne Betriebe und Schulen zusammen. In regionalen Arbeitskreisen werden Partnerschaften aufgebaut und Raum für Praxiserfahrungen geschaffen, denn: „Kooperationen von Unternehmen mit Schulen sind das beste Mittel gegen Nachwuchssorgen“ (Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT).

Die Grafik zeigt zwei Infokästchen zum erhofften Nutzen von Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler und Betriebe. Die genutzte Quelle ist die Evaluation des Berufsorientierungsprogramms durch den BIBB im Jahr 2018. Aufseiten der Schülerinnen und Schüler ist gewünscht, dass diese eigenen Fähigkeiten und Interessen erkennen, diese reflektieren und anschließend mittels Praktika potenzielle Berufsfelder erkunden. Der Nutzen für Betriebe liegt darin, Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, potenzielle Auszubildenden in Praktika kennenzulernen und sich durch eben diese zusätzlich attraktiv zu machen. Weiterführende Informationen sind im Text dargestellt.

Vergessen darf man allerdings nicht, dass Maßnahmen zur Berufsorientierung nur ein Baustein bei der Entwicklung von Kompetenz zur Wahl eines passenden Berufs sind. Ob Jugendliche in der Lage sind, eine für sie passende Wahl zu treffen, hängt vor allem auch vom familiären Umfeld, Bildungshintergründen, lokalen Rahmenbedingungen und geschlechtsspezifischen Rollenmustern ab. Bei einer Evaluation des Berufsorientierungsprogramms (BOP) wurden Jugendliche gefragt, ob das BOP eine große Hilfe auf dem Weg zum passenden Beruf war. Das Ergebnis: Positive und skeptische Antworten hielten sich fast die Waage. Der kleinere Teil der Schülerinnen und Schüler gab an, sich nun für Berufe zu interessieren, die vorher nicht auf der Wunschliste standen. Spannend: Eher war dies bei jenen mit schlechteren Schulnoten und unter den männlichen der Fall.

Bei Berufsorientierung geht es immer stärker auch darum, Jugendlichen frühzeitig die Berufe nahezubringen, in denen Auszubildende dringend gesucht werden und die ihnen deshalb gute Perspektiven bieten, wie das zum Beispiel bei vielen handwerklichen Berufen der Fall ist. Ein Konzept, das genau hier ansetzt, sind die „Ausbildungsbotschafter“ (z. B. die Initiative Ausbildungsbotschafter in Baden-Württemberg): Fortgeschrittene Auszubildende besuchen Schulklassen und berichten über ihre Erfahrungen, ihre Motive und ihre weiteren beruflichen Pläne. Dieser Kontakt kann Schülerinnen und Schülern helfen, sich auch mit Berufen zu identifizieren, die bisher nicht auf ihrer Liste standen.

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