Im Jahr 2022 wurden in Deutschland laut Berufsbildungsstatistik 155.325 Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. Damit ist die Vertragslösungsquote in der dualen Berufsausbildung gegenüber dem Vorjahr um rund 3 Prozent gestiegen (Uhly/Neises 2023).
Die Vertragslösungsquote misst den Anteil der begonnenen Ausbildungsverhältnisse, die vor Ablauf der Ausbildungsdauer aufgelöst werden. Unklar bleibt dabei jedoch, auf wessen Initiative oder in welcher Form die Vertragslösung erfolgt – etwa durch einen Aufhebungsvertrag oder durch Kündigung.
2022 wurden 29,5 Prozent der begonnenen Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. Im Jahr 2021 betrug die Vertragslösungsquote 26,7 Prozent.
Etwa ein Drittel aller Vertragslösungen findet während der Probezeit statt, ein weiteres Drittel nach Ablauf der Probezeit, aber noch im ersten Jahr nach Vertragsbeginn. Ein weiteres knappes Viertel der Ausbildungsverträge wird im zweiten Jahr nach Beginn des Ausbildungsverhältnisses gelöst, im späteren Ausbildungsverlauf kommt es kaum noch zu Vertragslösungen.
Im Jahr 2022 ist die Lösungsquote in allen Zuständigkeitsbereichen (Handwerk, Industrie und Handel, öffentlicher Dienst, Landwirtschaft, Freie Berufe und Hauswirtschaft) gestiegen. Auch unabhängig von Geschlecht, Staatsangehörigkeit oder Art des Schulabschlusses war ein Anstieg zu verzeichnen.
Dennoch gibt es deutliche regionale Unterschiede sowie zwischen bestimmten Personengruppen, den Zuständigkeitsbereichen und insbesondere zwischen den Berufen.
Die Gründe für vorzeitige Vertragslösungen sind vielfältig und abhängig davon, von wem die Initiative zur Auflösung ausgeht. Welche Auflösungsgründe primär genannt werden, hängt ebenfalls stark davon ab, ob (ehemalige) Auszubildende oder Ausbilderinnen und Ausbilder befragt werden (Uhly 2023). Während (ehemalige) Auszubildende zum Beispiel auf prekäre Ausbildungsbedingungen und -vergütungen sowie auf die Qualität der Ausbildung verweisen, nennen Ausbilder*innen u.a. die mangelhafte Berufsorientierung sowie die mangelnde Leistungsbereitschaft der Auszubildenden als zentrale Gründe (Uhly 2023; Uhly 2021). Auch die Attraktivität des Ausbildungsberufs kann die Wahrscheinlichkeit einer Vertragslösung beeinflussen.
Darüber hinaus lässt sich ein statistischer Zusammenhang zwischen der Ausbildungsmarktlage und der Lösungsquote feststellen: Je günstiger die Ausbildungsmarktlage aus Sicht der Jugendlichen ist, desto höher ist die Lösungsquote. So besteht bei Unzufriedenheit mit einem begonnenen Ausbildungsverhältnis eine höhere Chance auf einen Ausbildungsplatzwechsel, wenn das Angebot an Ausbildungsstellen größer ist als die Nachfrage (Uhly/Neises 2023). Mehr Informationen zu den Entwicklungen auf dem Ausbildungsmarkt finden sich in unserer Data Story Das Erfolgsmodell duale Ausbildung hat ein Matchingproblem.
Wenn Auszubildende ihren Ausbildungsvertrag vorzeitig auflösen, heißt das jedoch nicht, dass sie dem dualen System fernbleiben. Mindestens 50 Prozent der Auszubildende mit vorzeitiger Vertragslösung schließen im Anschluss einen neuen Ausbildungsvertrag ab (Uhly 2023). So findet in den meisten Fällen ein Berufs- oder Betriebswechsel innerhalb des dualen Systems statt. Für einen kleinen Teil der ehemaligen Auszubildenden geht es mit einem Studium weiter – nur wenige brechen die Berufsausbildung endgültig ab (Holtmann/Solga 2022).
Weitere Befunde zur Entwicklung der Vertragslösungsquoten, deren mögliche Ursachen sowie Maßnahmen zur Reduktion von Vertragslösungen werden in der aktuellen BIBB-Publikation erläutert.