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Frauen und Gleichstellung am Arbeitsmarkt

Die Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ist ein wichtiger Gradmesser für die Chancengleichheit und die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern. Aktuell sind in Deutschland mehr Frauen erwerbstätig als je zuvor. Die Daten zeigen, dass in den letzten 30 Jahren sowohl die Anzahl als auch der Anteil der Frauen, die bezahlt auf dem Arbeitsmarkt einer Beschäftigung nachgehen, stetig gestiegen sind. Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex. Neben den gestiegenen Qualifikationen, einem veränderten Rollenverständnis und veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen werden in der Literatur auch der demografische Wandel sowie die damit verbundene Fachkräftenachfrage genannt (Sachverständigenkommission 1. Gleichstellungsbericht 2011, S.9).

Die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen führt auch zu einer Annäherung an die Erwerbstätigkeit der Männer. Diese Entwicklung wird dadurch unterstützt, dass die Erwerbstätigkeit der Männer in den 1990er-Jahren phasenweise zurückgegangen ist, und seitdem teilweise auch nur langsam wieder ansteigt. Die Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit weist demgegenüber eine etwas steilere Dynamik auf.

Frauen- und Männererwerbstätigkeit nähert sich immer weiter an

Erwerbstätigenquoten von Männern und Frauen im Zeitverlauf* (Anteile in Prozent)

*Die Vergleichbarkeit der Werte im Zeitverlauf ist durch methodische Veränderungen eingeschränkt (für weitere Informationen hierzu siehe Statistisches Bundesamt 2020. Die Trendaussage ist dennoch belastbar).

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2021, Erwerbstätigenquoten nach Gebietsstand und Geschlecht in der Altersgruppe 15-unter 65 Jahren, Mikrozensus

Allerdings sagt die reine Anzahl bzw. der Anteil der Frauen, die bezahlt einer Arbeit nachgehen, noch nichts über das Arbeitsvolumen  , das sie einbringen, und ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt aus. Um die positive Entwicklung der Frauenerwerbsbeteiligung sinnvoll interpretieren zu können, ist daher ein tieferer Blick in die Daten notwendig. Dabei wird eine Reihe von Unterschieden sichtbar. Besonders auffällig ist die starke Abweichung zwischen der bezahlten Arbeitszeit und der unbezahlten Sorgearbeit, die Männer und Frauen pro Woche aufbringen.

Nach wie vor üben Frauen deutlich häufiger eine Teilzeit  - anstelle einer Vollzeitbeschäftigung aus. Etwa die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen, aber nur gut jeder zehnte Mann gehen aktuell einer Teilzeiterwerbstätigkeit nach. Während Frauen im Jahr 2019 im Durchschnitt pro Woche 30,5 Stunden gegen Bezahlung arbeiteten, liegt die bezahlte Wochenarbeitszeit der Männer durchschnittlich bei 38,6 Stunden. Dementsprechend liegt der Gender Time Gap  aktuell bei 21 Prozent. Gleichzeitig wenden Frauen täglich etwa 52 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer (so genannter Gender Care Gap  ). Das ist umgerechnet ein Unterschied von täglich 87 Minuten oder 10 Stunden pro Woche. Während diese Differenz in den Lebensphasen vor der Familiengründung vergleichsweise gering ausgeprägt ist, fällt er deutlich größer in den Lebensphasen aus, in denen (kleine) Kinder im Haushalt leben (Kümmerling 2018).

DEUTLICHE UNTERSCHIEDE BEI DER BEZAHLTEN UND UNBEZAHLTEN ARBEIT

Angaben in Prozent und Stunden


Gender Time Gap

Öffentlicher Dienst
21%
-8 STD

Quelle: Eurostat, 2021, Labour Force Survey

Gender Care Gap

Öffentlicher Dienst
52%
+10 STD

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2015, Zeitverwendungserhebung

DIE TEILZEITQUOTE VON FRAUEN LIEGT DEUTLICH ÜBER DER VON MÄNNERN

ANGABEN IN PROZENT

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2021, Destatisdatenbank, Mikrozensus, eigene Berechnungen

Der Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Erwerbsumfang (in Stunden) von Männern und Frauen zeigt sich in allen Lebensphasen. Maßgeblich verändert hat sich dieses Muster in den letzten zehn Jahren nicht. Dabei besteht ein zentraler Zusammenhang zur Familiensituation: „Seit nunmehr zwei Dekaden ist die Kombination von Eltern, bei denen der Vater vollzeit- und die Mutter teilzeitbeschäftigt ist, die gängigste Konstellation in Paarhaushalten mit Kindern bis zwölf Jahren (Keller/Kahle 2018, S. 65f).“ Die Gründe dafür hängen stark mit der Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung zusammen.

GRÜNDE FÜR TEILZEITBESCHÄFTIGUNG UNTERSCHEIDEN SICH ZWISCHEN MÄNNERN UND FRAUEN

Angaben in Prozent

Öffentlicher Dienst
8,0%

Frauen

Industrie
12,6%

Männer

  • Vollzeit nicht zu finden
  • Krankheit, unfall, behinderung
  • Sonst. Pers. oder FAM. Verpflichtungen
  • Aus- und Weiterbildung
  • Betreuung von Kindern
  • Sonstige Gründe / K.A.

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2020, Fachserie 1, Reihe 4.1, Mikrozensus, eigene Berechnungen

Der starke Fokus von Frauen auf Teilzeitarbeitsplätze basiert aber nicht nur auf persönlichen Entscheidungen, wie sie in der Grafik oben dargestellt wurden. In der politischen Auseinandersetzung wird die Frage, ob und in welchem Maße das Familien-, Arbeits-, Sozial- und Einkommenssteuerrecht Verhaltens- bzw. Teilzeitanreize setzt, kontrovers diskutiert. Auch über die Ressourcenverteilung, die im Rahmen des Steuersystems und Ehegattensplittings erzeugt wird, besteht eine vitale Debatte (weiterführend siehe Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, S. 30; Bach et al 2020; Beznoska et al 2019). Daneben werden auch die Ausgestaltung des Sozialversicherungssystems und hier insbesondere die Möglichkeit der kostenlosen Mitversicherung in der Krankenversicherung für nicht-erwerbstätige Familienmitglieder als Grund für die eingeschränkte Erwerbsteilhabe von Frauen diskutiert. Die Kinderbetreuungsinfrastruktur ist ein weiterer Punkt, der in diesem Zusammenhang betrachtet werden muss (Kümmerling/Postels 2020; Hipp/Leuze 2015, S. 19).

IN DEN MEISTEN ELTERNHAUSHALTEN ARBEITEN MÄNNER IN VOLLZEIT UND FRAUEN IN TEILZEIT

Durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Stunden 2018

Quelle: Kümmerling/ Schmieja, 2021, Dossier Teilzeitbeschäftigung, in: Bundeszentrale für politische Bildung.

Allerdings hängt die Frage der Erwerbstätigkeit nicht nur eng mit dem Familienmodell zusammen, sondern wird auch davon beeinflusst, welche Arbeitsmarktaussichten bestehen. Drei grundlegende, strukturelle Unterschiede dürften dabei von Bedeutung sein. Hierzu zählt erstens die Tendenz, dass Männer und Frauen schwerpunktmäßig bestimmte Berufe wählen, so dass sich der Arbeitsmarkt in typische Frauen- und Männerbereiche teilt. Als Frauen- bzw. Männerberuf gilt ein Job dann, wenn der Frauen- bzw. Männeranteil etwa 70 Prozent und mehr beträgt. Typisch männliche bzw. typisch weibliche Berufsfelder können sich im Zeitverlauf aber auch ändern. In den letzten Jahren hat sich die geschlechtsspezifische Teilung des Arbeitsmarkts jedoch eher verschärft. An sich ist es unproblematisch, dass sich auf dem Arbeitsmarkt Männer- und Frauendomänen bilden. Wenn damit aber auch Unterschiede in der Beschäftigungsqualität einhergehen, also in Frauenberufen beispielsweise geringere Löhne gezahlt werden als in Männerberufen, muss diskutiert werden, ob ein Zusammenhang allein zum Geschlecht besteht und wie diese Ungleichheit behoben werden kann.

Über Ursachen und Lösungsansätze haben wir in einem Interview mit Frau Dr. Christina Klenner gesprochen.

WENIG VERÄNDERUNG BEI TYPISCHEN FRAUEN- UND MÄNNERBERUFEN

Verteilung der Geschlechter nach Berufssegmenten 2020, in Prozent des jeweiligen Segments

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2021, Beschäftigte nach Berufen (KidB 2010), Beschäftigungsstatistik, eigene Berechnungen

Auch auf den Führungsetagen von privatwirtschaftlichen Unternehmen bestehen starke geschlechtsspezifische Unterschiede. Frauen sind in den selben Berufen oder Berufsfeldern häufig in rangniedrigeren Positionen oder Statusgruppen zu finden als Männer. Besonders auf der ersten Führungsebene sind sie unterrepräsentiert. Aber auch im Vergleich zu ihrem Beschäftigungsanteil insgesamt erreichen Frauen Führungspositionen deutlich schlechter als ihre männlichen Kollegen.

Welche Ursachen hinter dieser Schieflage stecken und wie die Bundesregierung ihr entgegenwirken will, lesen Sie in unserem Interview mit Dr. Susanne Kohaut.

IM VERGLEICH ZU IHREM BESCHÄFTIGTENANTEIL SIND FRAUEN IN FÜHRUNGSPOSITIONEN STARK UNTERREPRÄSENTIERT

IAB-Betriebspanel 2018, Frauenanteil in Prozent


FRAUENANTEIL AUF
1. FÜHRUNGSEBENE

Öffentlicher Dienst
26%

FRAUENANTEIL AN ALLEN BESCHÄTIGTEN

Öffentlicher Dienst
44%

Quelle: Kohlaut/Möller, 2019, Frauen in leitenden Positionen, IAB-Kurzbericht 23/2019

Ein weiterer Gradmesser für die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt ist der Vergleich zwischen den Löhnen von Frauen und Männern. Frauen verdienen im Schnitt etwa 18 Prozent weniger pro Arbeitsstunde als Männer. Dabei fallen die Verdienstunterschiede in Ost- und Westdeutschland sehr unterschiedlich aus. Während Frauen in den westdeutschen Bundesländern im Schnitt 19 Prozent weniger verdienen als Männer, liegen Frauen in Ostdeutschland zwar vergleichsweise weniger, aber immer noch mit einem Gender Pay Gap  von 6 Prozent hinter ihren männlichen Kollegen zurück. Allerdings schließt sich der Gender Pay Gap in beiden Landesteilen im Zeitverlauf auch nur langsam. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Verdienstunterschiede im Vergleich zum Vorjahr insgesamt lediglich um einen Prozentpunkt geschrumpft.

Die Ursachensuche ist schwierig. In der Diskussion der Daten werden der Beschäftigungsumfang, der Bildungsstand, die Berufserfahrung oder die unterschiedliche Verteilung auf Berufe als mögliche Erklärungsfaktoren angeführt und in einer zweiten Variante des Gender Pay Gaps berücksichtigt. Der um diese Faktoren bereinigte Gender Pay Gap liegt dann noch bei einem unerklärten Rest von etwa 6 Prozent (Statistisches Bundesamt 2020). Das kann an den unvollständigen Informationen, beispielsweise zur Dauer der Erwerbsunterbrechung, liegen, oder auch als reine geschlechtsspezifische Diskriminierung verstanden werden. Außerdem beinhaltet die geschlechterspezifische Verteilung auf die Berufe bereits Lohnunterschiede, denn Frauen arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Berufen und Branchen. Genauso gilt andersherum: Frauenberufe oder Frauenbranchen werden häufig schlechter bezahlt (Wrohlich/Zucco 2017).

Letztlich müssen sich Löhne stets daran messen lassen, ob sie durch die unternehmerische Wertschöpfung getragen werden können, aber auch, ob sie die Berufsanforderungen in angemessener Höhe abbilden. Auf der praktischen Ebene ist deswegen auch ein kritischer Blick auf die Arbeitsbewertungsverfahren zentral: Werden alle Tätigkeiten, die für einen Job wichtig sind, berücksichtigt (Klammer et al. 2018)? Oder werden vor allem typisch männliche Fertigkeiten (wie beispielsweise körperliche Kraft) berücksichtigt, aber als typisch geltende weibliche Fähigkeiten (wie beispielsweise Sozialkompetenz) nicht erfasst?

Gender Pay Gap

Anteile in Prozent

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2021, Destatis Datenbank, Mikrozensus

Aktionsprogramme und Initiativen zur Überwindung der ungleichen Teilhabe

Die dargestellten Daten zeigen zwar, dass es im Zeitverlauf positive Entwicklungen hinsichtlich der Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt gibt, verdeutlichen aber auch, dass weiterhin erhebliche Ungleichheiten existieren. Eine Reihe von politischen Maßnahmen sollen hier ansetzen und dabei helfen, die weiterhin ungleiche Teilhabe von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu reduzieren. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise:

Aktionsprogramme und Initiativen

Die unterschiedlichen Bundesministerien (wie Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) und/oder Behörden (wie die Bundesagentur für Arbeit) legen immer wieder Aktionsprogramme und Initiativen auf, um die Gleichstellung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu fördern. Hierzu zählen beispielsweise:

Auch auf Ebene der Bundesländer und Kommunen werden die Programme aufgegriffen und ergänzt. Sie sind über die Landesministerien im Internet zu finden.


Arbeitshilfen und Beratungsprogramme

Durch verschiedene Arbeitshilfen und Beratungsprogramme sollen Betriebe und Beschäftigte darin unterstützt werden, die Gleichstellung in der Praxis zu prüfen. Hierzu stellen die Ministerien Broschüren kostenlos zum Download zur Verfügung oder organisieren Beratungsangebote und Dialogveranstaltungen. Hierzu zählen beispielsweise:


Die Verpflichtung auf eine Gleichstellungsstrategie, das so genannte Gender Mainstreaming

Der internationale Begriff des Gender Mainstreamings meint die Selbstverpflichtung, bei allen Entscheidungen systematisch die unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen mit in den Blick zu nehmen. Rechtlich ist dieses Leitbild fest sowohl im internationalen als auch nationalen Verfassungsrecht, in Geschäftsordnungen der Bundesministerien und verschiedenen Arbeitshilfen für politische Entscheidungen verankert.

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