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Illustration Interview

„Ökologisches Engagement hilft auch bei der Fachkräftegewinnung“

Immer mehr Firmen setzen sich für Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein, sagt Arbeitsmarktforscher Lutz Bellmann vom IAB. Bei der Fachkräftegewinnung werben aber nur wenige mit ihrem grünen Engagement.

Immer mehr Betriebe setzen sich für Umweltschutz und ökologische Nachhaltigkeit ein, sagt Prof. Dr. Lutz Bellmann. Das geht auch aus dem von ihm verantworteten Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.

An der Befragung nehmen jährlich rund 16.000 Betriebe aller Wirtschaftszweige und Größenklassen teil. Grünes Engagement helfe den Unternehmen nicht zuletzt bei der Fachkräftegewinnung, sagt Bellmann. Diese Chance nutzen aber nicht alle Firmen optimal.

Interview mit Prof. Dr. Lutz Bellmann

Herr Prof. Bellmann, wie wichtig ist grünes Engagement für die Betriebe in Deutschland?

Lutz Bellmann: Ökologische Themen haben hohe Relevanz für die Unternehmen hierzulande. Das unterstreicht auch unser IAB-Betriebspanel 2018. Und je größer die Unternehmen sind, desto bedeutsamer ist ein entsprechendes Engagement aus ihrer Sicht. So sagen fast zwei Drittel der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, dass ökologische Nachhaltigkeit und Umweltschutz für sie wichtig oder sehr wichtig sind. Bei kleinen Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern ist es knapp die Hälfte.

Arbeitsmarktforscher Lutz Bellmann
IAB - Lutz Bellmann

„Fast zwei Drittel der großen Unternehmen sagen, dass ökologische Nachhaltigkeit und Umweltschutz für sie sehr wichtig sind.“

Da hat sich viel getan gegenüber früher, sagen Sie. Wie kam es dazu?

Bellmann: Das öffentliche Bewusstsein für die Ressourcenknappheit und die negativen Umweltfolgen des intensiven Wirtschaftens sind in den zurückliegenden Jahren gestiegen. Als Reaktion auf diesen Wandel begannen Unternehmen aus allen Branchen, Richtlinien, Produkte und Prozesse einzuführen oder zu ändern – mit dem Ziel, Probleme wie Umweltverschmutzung und begrenzte Ressourcenverfügbarkeit zu bewältigen. Und nicht zuletzt sollten dadurch die Beziehungen zu Gesellschaft und Investoren verbessert werden.

Lutz Bellmann

Prof. Dr. Lutz Bellmann

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)

Lutz Bellmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Arbeitsökonomie, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und leitet im IAB den Forschungsbereich Betriebe und Beschäftigung. Er forscht insbesondere zu Lohnstruktur und Beschäftigungsdynamik, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung sowie zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer.

Und wieso legen größere Betriebe ein höheres Gewicht auf ökologische Nachhaltigkeit?

Bellmann: Das kann mehrere Gründe haben: Größere Unternehmen können es sich tendenziell eher leisten, umweltfreundliche Initiativen zu starten – etwa weil sie bei Produktion und Produkten mehr einsparen durch Umweltschutzmaßnahmen. Oder weil sie über mehr Manpower verfügen, zum Beispiel durch eigene Umweltbeauftragte. Bei kleineren Betrieben dagegen nehmen Chef oder Chefin ökologische Themen häufig „nebenbei“ zusätzlich wahr. Eine Rolle spielen möglicherweise auch regulatorische Vorgaben aus dem Umweltrecht oder die OECD-Leitsätze für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Diese haben für größere – und erst recht für börsennotierte – Unternehmen noch höhere Relevanz als für kleine.

Umweltengagement entsteht also vor allem auf äußeren Druck?

Bellmann: Das zu behaupten wäre vorschnell. Schließlich gehen zwischen 25 und 30 Prozent aller Betriebe nach eigenen Angaben weit über gesetzliche Vorgaben hinaus oder wollen Nachhaltigkeitsziele trotz hoher Kosten erreichen. Vielfach ist Nachhaltigkeit zumindest auch Teil der Firmenphilosophie. Über ein Drittel der Unternehmen sagt allerdings auch, dass ihre Kundschaft nachhaltige Produkte und Dienstleistungen verlangen – während rund 30 Prozent der befragten Firmen genau dies verneinen.

Werfen wir einen Blick auf die einzelnem Wirtschaftszweige – gibt es hier Überraschungen?

Bellmann: Besonders hohen Stellenwert hat Nachhaltigkeit – mit über 80 Prozent der Nennungen – in den Bereichen Forst- und Landwirtschaft, Energie, Wasserversorgung und Abfall. Auf einen ebenso hohen Wert kommt auch die Branche Chemie und Pharmazie, die damit im Industriesektor hervorsticht. Und im Dienstleistungssektor legt beinahe jeder dritte Betrieb hohen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit. Auch in diesem Bereich bietet sich schließlich eine Reihe von Maßnahmen an – zum Beispiel durch papierlose Büros oder zusätzliche Möglichkeiten, von zu Hause aus zu arbeiten. Oder indem Führungskräfte von einem Dienstwagen auf eine Bahncard 100 wechseln können. Man sieht: Manche Umweltschutzmaßnahmen sind sogar vergleichsweise einfach umsetzbar.

Sind Betriebe mit jüngeren Belegschaften besonders umweltorientiert?

Bellmann: Ökologische Nachhaltigkeit ist unabhängig von der Altersstruktur der Mitarbeitenden ein wichtiges Thema. Selbst Start-ups mit ihren eher jüngeren Belegschaften sind da nicht weiter auffällig. Und übrigens: Auch zwischen den verschiedenen Bundesländern gibt es keine sehr großen Unterschiede darin, wie Unternehmen zu ökologischer Nachhaltigkeit und Umweltschutzes stehen – und es besteht auch kein offensichtlicher Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland. Aufhorchen lassen allerdings Befunde des IAB-Betriebspanels von 2016: Demnach erreichen Betriebe mit Umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen insgesamt ein höheres Beschäftigungswachstum, insbesondere wenn es sich um innovative Betriebe handelt. Ihre Produkte kommen bei Kunden offensichtlich besser an.

„Unternehmen, denen ökologische Nachhaltigkeit wichtiger ist, haben einen geringeren Personalmangel und weniger Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen.“

Haben es umweltorientierte Betriebe auch leichter bei der Personalsuche?

Bellmann: Es sieht ganz so aus. Unternehmen, bei denen ökologische Nachhaltigkeit wichtiger ist, haben einen geringeren Personalmangel und weniger Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Selbst der Umstand, dass ökologisch engagierte Betriebe zumindest im Durchschnitt eine geringere Lohnsumme je Beschäftigten aufweisen, ändert nichts daran. Hintergrund könnte beispielsweise sein, dass das Unternehmensimage von ökologischer Nachhaltigkeit profitiert, was sich im Wettbewerb um Fachkräfte auszahlt. Und da es ganz so aussieht, als ob sich der Wettbewerb um die besten Köpfe weiter verschärfen wird, kann man sagen: Gerade kleinere Betriebe könnten bei der Fachkräftegewinnung mit einem noch stärkeren Fokus auf ökologischer Nachhaltigkeit andere Nachteile gegenüber Großunternehmen zumindest verringern.

So reagieren Unternehmen auf den Klimawandel

Die Herausforderungen des Klimawandels haben Unternehmen in ganz Europa fest auf dem Schirm. Um sich an ihn anzupassen oder um ihn aktiv zu bekämpfen, ergreifen die Betriebe bereits vielfältige Maßnahmen. Das zeigt eine europaweite Führungskräftebefragung des Beratungsunternehmens Deloitte:

Die Grafik zeigt ein Balkendiagramm zu Maßnahmen gegen den Klimawandel, die europäische Unternehmen planen oder bereits durchführt haben. Die Ergebnisse basieren auf einer Befragung des Beratungsunternehmens Deloitte, das 1371 Führungskräfte aus 19 Ländern im Jahr 2019 befragt hat. Die beliebteste Maßnahme bei den Befragten im Kampf gegen den Klimawandel ist mit 70 Prozent die Steigerung der Effizienz des Energieverbrauchs. Weiter haben 27 Prozent angegeben, zur Folgenvorbeugung eine Risikobewertung zu planen bzw. durchgeführt zu haben. Um sich Wetterextremen anzupassen, renovieren immerhin 14 Prozent ihre Gebäude/Anlagen. Weiterführende Informationen sind im Text dargestellt.
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