Arbeitswelt-Portal: Wie kann es Unternehmen und Institutionen gelingen, Menschen alternsgerecht zu beschäftigen?
Christian Golchert: Wichtig ist zuerst einmal, dass Unternehmen und Institutionen ältere Beschäftigten mit ihrem Know-how wertschätzen und als wichtige Quelle für einen Wissenstransfer ansehen – statt sich ihrer mit Altersteilzeit, Aufhebungsverträgen oder sonstigen Regelungen zu entledigen. Wir müssen Unternehmen den Mehrwert aufzeigen, den ältere Belegschaften für sie bieten.
Arbeitswelt-Portal: Welche Maßnahmen braucht es, damit Beschäftigte auch im Alter gut arbeiten können?
Golchert: Da kann man sich zunächst die Arbeitsplätze anschauen. Zum Beispiel in der Werkstatt: Wenn ich schwere Räder hochheben muss, gibt es spezielle Vorrichtungen, die das erleichtern. Ein anderes Beispiel wären die Serviceberater. Wir bekommen immer mehr neue Systeme, in denen die Bearbeitungsfelder teilweise relativ klein sind. Hier müsste man mehr darauf achten, dass größere Bildschirme mit besserer Auflösung bereitgestellt werden.
Es geht insgesamt darum, Arbeitsbedingungen zu schaffen, durch die Beschäftigte ihre Arbeit auch im vorgerückten Alter gut bewältigen können.
Arbeitswelt-Portal: Konkret im Kfz-Handwerk: Wie kann ein leistungsgerechtes Arbeiten aussehen?
Golchert: Nehmen wir nochmal das Beispiel Werkstatt. Man könnte sich dazu entschließen, bei den Mitarbeitern über 50 dort den Leistungsdruck rauszunehmen. Denn bei uns ist es ja so: Die Mechaniker werden mit sogenannten KPI‘s hinterlegt (Key Performance Indicator – kurz KPI – werden Kennzahlen genannt, mit denen der Fortschritt von wichtigen Zielsetzungen innerhalb einer Organisation gemessen wird, Anm. der Redaktion). Das heißt für unser Unternehmen: Ein produktiver Mitarbeiter soll im besten Fall im Monat 114 Stunden bringen. Alternativ könnte man sich aber mal anschauen, was dieser Mitarbeiter in den letzten zwei Jahren für einen Leistungslohn erwirtschaftet hat. Daraus nimmt man den Durchschnitt, und diesen Durchschnitt kriegt er dann einfach fest. Zum Kennzahlendruck habe ich auch schon eine große Diskussion mit einem Vorstand geführt. Er war zum damaligen Zeitpunkt 57. Ich habe ihn gefragt: Sind Sie noch genauso leistungsfähig wie mit Mitte 20? Nein, das ist er sicher nicht. Also sollte es auch nicht von den Mechanikern verlangt werden.
Arbeitswelt-Portal: Welche Rolle können ältere Arbeitnehmende im Betrieb einnehmen – speziell beim Wissenstransfer?
Golchert: Auch dazu ein konkretes Beispiel. In einem Betrieb haben wir noch Kundschaft, die uns die älteren Autos bringt, alte Käfer oder Bullis. Wir haben aktuell noch zwei Mitarbeiter, die diese Autos reparieren können. Um deren Wissen zu bewahren, haben wir eine Art Paten-System eingeführt, d.h. wir geben dem älteren Mitarbeiter einen jüngeren an die Hand, dem er sein spezielles Wissen weitergibt. Und so sollte man es auch generell handhaben. Denn in wenigen Jahren haben wir all die Mitarbeiter mit diesem Know-how nicht mehr an Bord, weil sie in die verdiente Rente gehen. Wir sehen es an vielen Stellen, dass wir mit dem Weggang von älteren Beschäftigten wertvolles Praxispraxiswissen verlieren, das dem jungen Personal, das nachkommt, fehlt.
Arbeitswelt-Portal: Was kann Sozialpartnerschaft für ein altersgerechtes Arbeiten leisten?
Golchert: Hier könnte man sich die Arbeitszeiten anschauen und die vielleicht etwas sozialverträglicher gestalten – und das ganze in einer vernünftigen Regelung festhalten. Wichtig wäre auch, dass man nicht gleich mit dem Altersteilzeitvertrag um die Ecke kommt und sagt, „wir müssen eh Personal abbauen, wie schaut's aus, möchtest du nicht?“
Arbeitswelt-Portal: Thema Weiterbildung: Ist das für die älteren Beschäftigten in Ihrem Unternehmen ein wachsendes Thema?
Golchert: Ja, wir starten zum Bespiel gerade in München mit dem Pilotprojekt „Digitales Autohaus“. Wenn Sie als Kunde ins Autohaus kommen, erfolgt ja alles auf digitaler Basis. Alle Abschriften, Verträge etc. bekommen Sie als PDF auf Ihre E-Mail-Adresse. Das muss geschult werden, gerade bei den älteren Mitarbeitern. Die sind ja nicht wie die junge Generation mit Tablet und Handy aufgewachsen. Es gibt aber auch ältere Mitarbeiter, die sagen, „hey, lasst mich mit dem digitalen Zeug in Ruhe, ich will mit den Kunden so kommunizieren, wie ich es immer gemacht habe und es auch gut funktioniert hat“. Da muss ich halt auch mal einen Kompromiss eingehen, was ja in den Aspekt „sozialpartnerschaftlich“ auch wieder mit reinspielt – dass wir sagen: Digitalisierung, Transformation ist wichtig, aber trotzdem muss es für die ältere Generation einen Spielraum geben, sie so arbeiten zu lassen, wie sie es von früher gewohnt sind. Und die Kundschaft gehört ja auch oft der älteren Generation an und weiß genau das zu schätzen: dass die Abläufe genauso sind, wie sie es kennen, und auf Papier festgehalten werden. Da sind viele, die auch sonst nicht alles digital haben wollen, die keine VR-Brillen aufziehen oder online beraten werden möchten.