Die Arbeitswelt kann sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss auf die Gesundheit der Erwerbstätigen haben. Denn einerseits bedeutet der Arbeitsplatz selbst nicht nur Einkommen, sondern auch soziale Kontakte, Anerkennung und bestenfalls auch Persönlichkeitsentwicklung. Andererseits geht die Arbeit vielfach auch mit körperlicher, geistiger oder emotionaler Anstrengung einher, was die Beschäftigten in unterschiedlichem Ausmaß als Stress und gesundheitliche Belastung empfinden können. Daher sind Gesetzgeber, Sozialpartner, Verantwortliche in der Wirtschaft und die Beschäftigten selbst daran interessiert, solche Belastungen so gering wie möglich zu halten und die Arbeitsplätze und Arbeitsumgebung nachhaltig gesunderhaltend zu gestalten.
Viele Betriebe bieten beispielsweise Informationsveranstaltungen, Kurse oder Seminare zu Bewegung, Ernährung, Stressabbau, Ressourcenmanagement oder Suchtmittelkonsum an. In den vergangenen Jahren hat das Angebot solcher Maßnahmen in den Betrieben zugenommen (siehe Tabelle). Dort, wo Betriebsräte und Arbeitgeber gut zusammenarbeiten, lässt sich das Gesundheitsmanagement leichter zum Nutzen der Belegschaft und des Unternehmens gestalten (Graßl, 2020, Betriebliche Beteiligung und Mitbestimmung ).
Beim Vergleich der Erwerbstätigenbefragungen, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) sowie die Bundesanstalt für Arbeitschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in den Jahren 2006, 2012 und 2018 vorgenommen haben, zeigt sich eine Zunahme des Angebots von betrieblicher Gesundheitsförderung. In der jüngsten BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung von 2018 lag der Anteil bei 46 Prozent der abhängig Beschäftigten (Hünefeld/Kopatz, 2022). Der Zuwachs zeigte sich in allen Branchen und Unternehmensgrößenklassen. Die Verbreitung von BGF-Maßnahmen war 2012 in Großbetrieben mit mehr als 250 Beschäftigten allerdings fast vier Mal höher als in Kleinstbetrieben mit weniger als 10 Beschäftigten (67 Prozent vs. 18 Prozent). Von den Befragten, die 2006 die Durchführung von BGF-Maßnahmen in ihrem Betrieb bestätigten, gaben 65 Prozent an, daran auch teilgenommen zu haben. 2012 lag diese Quote dann 3 Prozentpunkte niedriger. In beiden Befragungswellen war die Teilnahmequote bei Beschäftigten aus kleinen Betrieben deutlich höher als bei Beschäftigten aus großen Betrieben (Beck/Lenhardt, 2016, 56 und 58). Wie in den früheren Befragungen wurden 2018 BGF-Maßnahmen am häufigsten in der Industrie (60 Prozent) und im öffentlichen Dienst (59 Prozent) angeboten, seltener im Dienstleistungsbereich (34 Prozent) sowie im Handwerk (25 Prozent).
Gesundheitsförderliche Maßnahmen werden unterschiedlich angenommen: Das Angebot einer Kantine wird von 64,6 Prozent der Frauen (F) und 66,2 Prozent der Männer (M) genutzt, wie die Studie des Robert Koch-Instituts „Gesundheit in Deutschland aktuell“ auf Basis der Befragung von über 14.000 Erwerbstätigen im Alter von 18 bis 64 Jahren zeigt. Angebote zur Rückengesundheit (F: 26,2 Prozent; M: 18,7 Prozent) und Stressbewältigung/Entspannung (F: 35,2 Prozent; M: 25,6 Prozent) werden dagegen deutlich weniger in Anspruch genommen. Um weitere Erwerbstätige mit BGF-Maßnahmen zu erreichen, sollten diese zielgruppenspezifisch konzipiert werden. Geschlechter- und Altersaspekte, der Umfang der Erwerbstätigkeit, das Gesundheitsbewusstsein sowie der Gesundheitszustand sollten berücksichtigt werden.
Die Arbeitgeber haben im Jahr 2020 über eine Milliarde Euro für Gesundheitsförderung ausgegeben, darunter Ausgaben für die freiwillige betriebliche Gesundheitsförderung, aber auch für die Leistungen des betrieblichen Gesundheitsdienstes sowie Beihilfeausgaben der öffentlichen und privaten Arbeitgeber.
Anreize für Betriebe, stärker in die betriebliche Gesundheitsförderung zu investieren, sind steuerliche Vorteile: Seit dem 1. Januar 2008 wird durch die Steuerfreiheit des § 3 Nummer 34 Einkommensteuergesetz (EStG) die Förderung der Mitarbeitergesundheit unterstützt. Bis zu 600 Euro kann ein Arbeitgeber pro Mitarbeitendem und pro Jahr steuerfrei für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit erbringen. Arbeitgeber können zur Förderung der Gesundheit ihrer Beschäftigten dabei auf gesundheitsförderliche Maßnahmen zurückgreifen.
Die gesundheitsökonomische Forschung hat in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, für das betriebliche Gesundheitsmanagement deutliche Nutzeneffekte und Effizienzgewinne zu ermitteln. Mit dem iga.Report 40 wurde im Jahr 2019 die vierte Aktualisierung des wissenschaftlichen Kenntnisstands zur Wirksamkeit der arbeitsweltbezogenen Gesundheitsförderung und Prävention auf Basis von systematischen Reviews vorgelegt. Die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) hat für die Jahre 2012 bis 2018 Studien zur Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitsförderung zusammengestellt, insgesamt 49 Reviews mit über 900 enthaltenen Einzelstudien. Das Autorenteam kommt allerdings zu dem Schluss, dass die wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit und Kosteneffizienz von BGF – gemessen an harten Evidenzkriterien – infolge methodischer Schwächen in den Originalstudien immer noch begrenzt ist. Reviews zum ökonomischen Nutzen berichten, dass im Durchschnitt 65 Prozent der eingeschlossenen Studien einen ökonomischen Nutzen belegen. Der umfangreichste Review dokumentiert insgesamt 47 Return-on-Investments (ROI), aus denen sich ein mittlerer ROI von 2,7 ergibt (igaReport 40, 2019, 9).
Insgesamt gut belegt ist der Effekt, dass gelungene BGF meist einhergeht mit höherer Arbeitszufriedenheit, besserer Produktivität, größerer Innovationsoffenheit und weniger krankheitsbedingten Abwesenheiten (Hartung et al., 2022).