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Illustration Interview

„Gespräche können effektiver sein als Boni“

47 Prozent der Betriebe in Deutschland vergüten variabel. Das heißt: Ein Teil der Beschäftigten bekommt mehr Geld bei guter Leistung. Was bringt das – und wer profitiert besonders? Dirk Sliwka, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln, erklärt aktuelle Vergütungstrends.

  • 47 Prozent der Betriebe in Deutschland vergüten variabel. Zumindest bei einem Teil der Beschäftigten ist das Gehalt also nicht vollständig fix, sondern variiert nach Leistung.  
  • Ausschlaggebend ist immer häufiger nicht die individuelle Leistung, sondern der Team- oder Unternehmenserfolg.  
  • Der Fachkräftemangel könnte dazu führen, dass Unternehmen künftig wieder häufiger individuelle Boni zahlen.  
© Lisa Beller - Prof. Dirk Sliwka
© Lisa Beller - Prof. Dirk Sliwka

Herr Prof. Sliwka, was ist ergebnisorientierte Vergütung? 

Damit ist gemeint, dass das Gehalt eines Beschäftigten nicht völlig fix ist, sondern zumindest teilweise leistungsabhängig ist. Es kann typischerweise von drei Komponenten abhängen: von der Leistung der Person selbst, von der Leistung des Teams oder von der des gesamten Unternehmens.

Wie verbreitet ist diese Art der Vergütung? 

Umfragen zeigen, dass 47 Prozent der Betriebe in Deutschland variabel vergüten. Das heißt nicht, dass sie alle Beschäftigten vollständig variabel bezahlen. Aber zumindest ein Teil der Belegschaft erhält in diesen Betrieben variable Gehaltsbestandteile – etwa in Form eines jährlichen Bonus. Es handelt sich entweder um ein additives System, in dem die einzelnen Bestandteile aufaddiert werden – also zum Beispiel: 50 Prozent des Bonus hängen von der eigenen Leistung ab, 25 Prozent von der des Teams, 25 Prozent von der des Unternehmens. Oder es handelt sich um ein sogenanntes multiplikatives System bzw. einen Bonustopf für alle Beschäftigten – und je höher die individuelle Leistung, desto höher der Anteil an dem Topf.  

Welche Beschäftigtengruppen werden häufiger erfolgsabhängig vergütet?

Ein Faktor ist die Hierarchie: Je höher die Position einer Person in einem Unternehmen ist, desto eher wird sie variabel bezahlt und desto höher sind auch die variablen Anteile ihres Gehalts. Im Topmanagement zum Beispiel sind die variablen Anteile sehr hoch – da können sie über 50 Prozent ausmachen. Das Gehalt hängt dort auch überwiegend vom finanziellen Unternehmenserfolg ab und nicht so sehr von einer persönlichen Leistungsbeurteilung. Weniger verbreitet ist die ergebnisorientierte Bezahlung hingegen bei Tarifbeschäftigten.

Mehr Boni in Vertrieb und Außendienst

Gibt es auch Branchenunterschiede?

Ja, natürlich. Im Vertrieb und Außendienst wird besonders häufig nach individueller Leistung vergütet, weil sich die Leistung dort tendenziell leichter objektiv gut messen lässt: Wer mehr Verträge abschließt oder Produkte verkauft, bekommt mehr Geld. In der Personalabteilung oder im Controlling ist die Leistung einzelner Personen hingegen oft weniger gut in Kennzahlen messbar. Um variabel vergüten zu können, kann man dann oft nur subjektive Leistungsbeurteilungen nutzen. Das heißt in der Regel: Vorgesetzte müssen die Person auf einer Skala bewerten. Das ist allerdings nicht so einfach. Ein Risiko ist zum Beispiel, dass das System zwar variabel aussieht, aber trotzdem alle nahezu gleich bewertet werden. Führungskräfte neigen bei Leistungsbeurteilungen zu Großzügigkeit, auch weil sie das Geld ja typischerweise nicht selbst zahlen müssen.

Gibt es Erfolgsboni heute häufiger als früher?

Über die vergangenen zwölf Jahre ist die variable Vergütung in Deutschland eher leicht zurückgegangen. Und auch bei den Unternehmen mit variabler Vergütung gibt es eine Veränderung: Der Anteil, der auf der individuellen Leistung beruht, ist rückläufig. Der Trend ging in diesem Zeitraum eher zum Team- und Unternehmensbonus.

Wie erklären Sie sich das?

Evidenz zeigt, dass nach Leistung differenzierte individuelle Boni zwar die Leistung des Einzelnen erhöhen können. Sie können aber die Bereitschaft, mit Kolleginnen und Kollegen zu kooperieren, senken. Zudem sind mit Boni schnell Gerechtigkeitsdebatten verknüpft: Es kann zu Unzufriedenheit kommen, wenn andere hohe Boni bekommen – und umgekehrt aber auch, wenn der Eindruck entsteht, dass eh alle das gleiche bekommen, obwohl das System Leistungsdifferenzierung suggeriert. Wir beobachten zudem, dass Zielvereinbarungen nicht mehr ganz so häufig wie früher mit einer variablen Vergütung verknüpft werden. Das heißt: Die Betriebe sprechen mit ihren Beschäftigten zwar über Ziele, machen das Gehalt aber nicht davon abhängig, ob die Ziele erreicht wurden.  

Fachkräftemangel könnte zu mehr Boni führen

Welchen Vorteil hat das?

Die Menschen setzen sich potenziell ambitioniertere Ziele. Denn wenn ihr Bonus von den Zielen abhängt, haben sie einen Anreiz, die Ziele möglichst gering zu stecken, um das Geld in jedem Fall zu bekommen. Umgekehrt trauen sie sich mehr. Überhaupt brauchen viele Menschen nicht notwendigerweise zusätzliche monetäre Anreize, um besser zu arbeiten, wenn sie grundsätzlich für ihre Aufgabe motiviert sind. Jüngere Befunde zeigen, dass regelmäßige Gespräche mit der Führungskraft effektiver sein können als Boni, um Ziele zu erreichen.

Welche Rolle spielt der Fachkräftemangel?

Es gibt erste Anzeichen dafür, dass Unternehmen doch wieder stärker auf individuelle Boni setzen. Denn wenn sie um Leistungsträger kämpfen müssen, ist es wichtig, diesen schnell finanzielle Anreize bieten zu können. Das hören wir bislang aber eher aus Dax-Unternehmen. Im Mittelstand sehen wir einen solchen Trend bisher nicht.

Und wie sieht es mit anderen, nicht-monetäre Benefits aus – werden die wichtiger?

Wir haben keine guten Daten dazu, ob nicht-monetäre Benefits wie ein kostenloses Kantinenessen oder Sport-Angebote stärker an die Stelle von ergebnisorientierter Vergütung treten. Was wir aber wissen ist, dass Unternehmen zunehmend darauf setzen, ihren Beschäftigten Anerkennung zu zeigen. Viele Unternehmen versuchen, ihre Führungskräfte dazu anzuhalten, nicht nur im Jahresgespräch sondern auch zwischendurch regelmäßig Feedback zu geben. Für Betriebe kann es sich hier lohnen, digitale Tools einzusetzen. Eins unserer Experimente hat beispielsweise gezeigt, dass Führungskräfte häufiger Entwicklungsgespräche führen und Weiterbildungen häufiger stattfinden, wenn per E-Mail daran erinnert wird. Es gibt viele Führungskräfte, die das sonst vergessen oder nicht so systematisch machen.

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