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Braucht Deutschland eine Geschlechterquote für Führungspositionen?

Durch die Einführung einer Geschlechterquote  2015 hat sich der Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöht. 2021 wurde die Quotenregelung erweitert. Was Wirtschaft und Gesellschaft zu einer festen Geschlechterquote sagen, zeigen wir im Überblick.

Nur knapp jede dritte Führungskraft war 2019 weiblich. Seit 1992 ist der Anteil weiblicher Führungskräfte lediglich geringfügig von 25,8 auf 29,4 Prozent angestiegen. Im EU-Vergleich liegt Deutschland damit im unteren Bereich (Frauen in Führungspositionen).

Deshalb hat der Gesetzgeber im Jahr 2015 eine feste Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für Aufsichtsräte von börsennotierten und der paritätischen Mitbestimmung  unterliegenden Unternehmen beschlossen (FüPoG I). Ergänzend hat Deutschland im August 2021 ein Mindestbeteiligungsgebot bei Vorstandsmitgliedern und bei bestimmten Spitzenpositionen im öffentlichen Dienst eingeführt (FüPoG II). „Besteht der Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmens aus mehr als drei Mitgliedern, so muss er künftig mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein. Das Mindestbeteiligungsgebot für den Vorstand gilt bei Bestellungen, die ab dem 1. August 2022 erfolgen“ (BMFSFJ, 2021).

Der Bund als Gesetzgeber hält also eine Geschlechterquote für sinnvoll und notwendig. Die jährliche Information der Bundesregierung über die Entwicklung des Frauen- und Männeranteils in Gremien der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes zeigt, dass die Quote “wirkt”. Der Anteil an Frauen erhöht sich (BMFSFJ, 2021a; Evaluation FüPoG 2020). Was aber sagen Wirtschaft und Gesellschaft zu einer festen Geschlechterquote? Einige Argumente im Überblick:

Pro Geschlechterquote

  • Sichtbarkeit

    Eine feste Geschlechterquote stellt sicher, dass Frauen in Unternehmen und in der Gesellschaft insgesamt auch wirklich gesehen werden und sich einbringen können.

  • Vorbilder

    Frauen in Führungspositionen können junge Frauen beflügeln, ihrem Vorbild nachzueifern. Das wirkt sich langfristig auf die bisher eher männlich dominierte Arbeitskultur aus.

  • Ressourcen und Fachkräfte

    Mädchen und Jungen genießen in Deutschland eine gleich gute Bildung. Es gibt viele gut qualifizierte Frauen in Deutschland. Rund die Hälfte der Studienabsolventinnen und -absolventen sind weiblich (Statistisches Bundesamt, 2020). Eine Geschlechterquote nutzt folglich die vorhandenen Ressourcen und wirkt Fachkräfte-Engpässen entgegen.

  • Vielfalt

    Gemischtere Teams arbeiten anders (DIW, 2021), vielleicht sogar besser und kreativer. Neue und unterschiedliche Sichtweisen fließen in Projekte ein, neue Ansätze Probleme zu lösen entstehen. Davon profitieren wiederum Unternehmen, die so erfolgreicher sind, weshalb die Geschlechterquote auch in ihrem Sinne ist.

  • Gute Rahmenbedingungen sind nicht alles

    Gute Rahmenbedingungen (z. B. verlässliche Kinderbetreuung) spielen eine wichtige Rolle dafür, dass Frauen sich beruflich engagieren können. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Wirklich entscheidend für einen höheren Frauenanteil im Top-Management ist der Wille der Unternehmen, weibliche Kompetenz bis in die obersten Führungsetagen zu nutzen (Allbright, 2018). Feste Quoten können sinnvoll sein, um ein Umdenken in Unternehmen sowie in öffentlichen Verwaltungen und Körperschaften zu beschleunigen.

  • Gender Pay-Gap

    Ein sichtbarer Ausgleich der Geschlechterverhältnisse in Führungspositionen durch eine Quote holt Frauen aus der zweiten Reihe auf die Vorderbühne und macht deutlich, dass Prestige trächtige Positionen und das entsprechende Einkommen nicht nur von Männern erlangt werden können.

Contra Geschlechterquote

  • Nur Symptombehandlung

    Eine Quote behandelt lediglich die Symptome und nicht die Ursachen des geringeren Frauenanteils in Führungspositionen. Dazu zählen vor allem häufigere Erwerbsunterbrechungen, ein geringeres Arbeitszeitvolumen sowie das Berufswahlverhalten von Frauen. Statt einer Geschlechterquote braucht es deshalb mehr Kinderbetreuungsplätze, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Überwindung tradierter Familien- und Rollenbilder sowie eine familienbewusstere Personalpolitik in Unternehmen.

  • Keine geeigneten Kandidatinnen

    Wenn entsprechende Kandidatinnen nicht vorhanden sind oder sich nicht in gleichem Umfang wie Männer auf Führungspositionen bewerben oder zum Teil weniger karriereorientiert sind (Hammermann et al., 2015), kann eine gesellschaftlich und vor allem von den Unternehmen gewünschte Entwicklung nicht per Gesetz erzwungen werden.

  • Unternehmerische Freiheit

    Eine Quotenregelung stellt einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar mit betriebswirtschaftlichen Konsequenzen, die für die betreffenden Unternehmen nachteilig sind (Greene et al. 2020).

  • Öffentlicher Druck sorgt für mehr Vielfalt

    Der Druck auf die Unternehmen steigt auch ohne Quote, denn durch die öffentliche Debatte wird ein Bewusstsein für den Missstand und die Notwendigkeit eines Wandels geschaffen. Dieser Wandel ist jedoch nicht „mit der Brechstange einer Quote von oben“ zu verordnen. Es liegt im Interesse eines jeden Unternehmens selbst, durch Vielfalt  bessere Ergebnisse zu erzielen sowie im Wettbewerb um die besten Köpfe ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.

  • Als Alternative zur einer festen Geschlechterquote hat sich in der Wissenschaft das sogenannte Kaskadenmodell durchgesetzt (Kaskadenmodell). Dabei berechnet sich der zu realisierende Frauenanteil auf einer Karrierestufe aus dem Anteil der Frauen auf der jeweils darunterliegenden Karrierestufe. Wenn diese Zielmarke noch nicht erreicht ist, müssen an Hochschulen entsprechende Gleichstellungsmaßnahmen definiert und umgesetzt werden.

Zur festen Geschlechterquote und insbesondere zum Führungspositionen Gesetz gibt es unter anderem Stellungnahmen von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und dem Deutschen Frauenrat:

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