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Illustration Interview

„Eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung“

Der Trend zum Zweitjob nimmt zu – mit potenziell negativen Folgen für die Altersvorsorge, warnt Arbeitsmarktexpertin Rosemarie Kay.

Trend Zweitbeschäftigung: Immer mehr Menschen in Deutschland gehen nach Feierabend einer Nebentätigkeit nach. Bei vielen ist es der Minijob  , der zusätzlich zum Hauptberuf ausgeübt wird. Aber auch die Zahlen der hybrid Beschäftigten steigen – so die Bezeichnung für all jene, die neben ihrer abhängigen Beschäftigung noch selbständig sind. Was sind die Motive für die Aufnahme eines Zweitjobs? Wie wirkt sich die Pandemie auf diese Entwicklung aus? In unserem Interview beleuchtet die stellvertretende Geschäftsführerin des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn Rosemarie Kay die Hintergründe.

Was sind die Hauptmotive für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zusätzlich zur Festanstellung? Reicht etwa das Gehalt aus einer Tätigkeit nicht mehr aus?

Rosemarie Kay: Eine wesentliche Rolle spielt das Einkommensmotiv, also die Möglichkeit, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen. Allerdings ist es selten die Not, sondern vielmehr die sich bietende Gelegenheit, die Abhängig Beschäftigte  äparallel eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen lässt. Zudem sind nicht-monetäre Vorteile einer selbstständigen Tätigkeit zu nennen, die in der abhängigen Beschäftigung nicht erreicht werden können, zum Beispiel die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Und nicht zuletzt kann die hybride Selbstständigkeit einen weniger risikobehafteten Übergang in die volle Selbstständigkeit darstellen.

Dr. Rosemarie Kay, stellv. Geschäftsführerin des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn
Dr. Rosemarie Kay, stellv. Geschäftsführerin des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn

Die meisten hybrid Beschäftigten sind abhängig beschäftigt, bevor sie die selbständige Tätigkeit annehmen. Kann die hybride Beschäftigung als Sprung in die Selbständigkeit angesehen werden, für die eine zusätzliche Festanstellung vorher vielleicht noch als Sicherheitsnetz gedient hat?

Kay: Ja, in der Tat. Allerdings trifft dies nur auf eine Minderheit der hybriden Selbstständigen zu. Die Mehrheit der hybriden Selbstständigen verbleibt dauerhaft in dem hybriden Status oder gibt die Selbstständigkeit wieder auf.

Dr. Rosemarie Kay

Institut für Mittelstandsforschung Bonn

Dr. Rosemarie Kay ist seit 2012 stellvertretende Geschäftsführerin des Institutes für Mittelstandsforschung in Bonn. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender und Diversität  ä Unternehmensnachfolge sowie Fachkräfte und Bildung.

Wie sehr trifft die Corona-Pandemie diese Gruppe? Trifft es sie mehr als andere?

Kay: Dies lässt sich nicht so ohne Weiteres beantworten. Das hängt sicherlich auch davon ab, in welchen Bereichen die hybriden Selbstständigen tätig sind. Hybride Selbstständige haben auf jeden Fall, sofern die selbstständige Tätigkeit nicht die Haupteinkommensquelle darstellt, keinen Zugang zu den Coronahilfen. Dies hat sicherlich in einigen Fällen zu sozialen Härten geführt, in der Mehrheit der Fälle gehe ich jedoch davon aus, dass ein möglicher Einbruch des Zusatzeinkommens aus selbstständiger Tätigkeit verkraftbar war.

Sind nachhaltige Folgen aus der Corona-Pandemie für die hybrid Beschäftigten zu erwarten? Wenn ja: Für welche Gruppe der hybrid Beschäftigten trifft das vor allem zu?

Kay: Eher nicht. Ich erwarte nach dem Abflauen der Corona-Pandemie eine sukzessive Rückkehr zu den gewohnten Verhältnissen. Hybrid Selbstständige, deren Selbstständigkeit während der Pandemie eingeschränkt war, werden diese wieder verstärkt verfolgen können. Hybrid Selbstständige, die auf Dauer eine ausschließliche Selbstständigkeit anstreben, werden diesen Schritt, je nach Geschäftsmodell, wegen der Folgen der Pandemie womöglich etwas hinausschieben.

Wie ist hybride Beschäftigung im Hinblick auf die Altersvorsorge zu bewerten? Gibt es Änderungsbedarf?

Kay: Das ist eine gute, aber nicht leicht zu beantwortende Frage – wegen der unterschiedlichen Altersvorsorgesysteme für Abhängig Beschäftigte  äund Selbstständige. Solange die Selbstständigkeit neben einer Vollzeit- oder vollzeitnahen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt wird, birgt die hybride Selbstständigkeit keine Probleme im Hinblick auf die Altersvorsorge. Erwachsen aus der abhängigen Beschäftigung keine Existenz-sichernden Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung und wird aus den Einkünften aus der selbstständigen Tätigkeit keine weitere Altersvorsorge betrieben, drohen auf längere Zeit hybrid tätigen Selbstständigen Einkommenslücken im Alter. Für diese Gruppe der hybrid Selbstständigen besteht Handlungsbedarf. Einfache Lösungen gibt es jedoch nicht.

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