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Rezept gegen Langzeitarbeitslosigkeit – wie eine österreichische Gemeinde von der Jobgarantie profitiert

Die Garantie eines Arbeitsplatzes wirkt sich positiv auf das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen der Teilnehmenden eines weltweit einmaligen Pilotprojekts in Niederösterreich aus. Dies das Fazit einer ersten Evaluation des freiwilligen Programms für Langzeitarbeitslose.

Eine aktuelle Evaluation der University of Oxford bewertet, wie sich eine 2020 eingeführte Jobgarantie in der Stadt Gramatneusiedl in Österreich auf die Teilnehmenden und den Rest der Gemeinde auswirkt. Das Jobgarantie-Programm ist ein Pilotprojekt, das bis 2024 fortgeführt wird und vom Arbeitsmarktservice Österreichs (AMS) finanziert wird. Allen Langzeitarbeitslosen des Ortes wird ein Arbeitsplatz angeboten, die Teilnahme ist freiwillig. Bei den angebotenen Jobs handelt es sich größtenteils um Tätigkeiten, die sich auf gemeinwohlorientierte Projekte für die Gemeinde fokussieren.

Kernergebnisse

Die Kernergebnisse im Überblick: 

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    Sehr gute Annahme des Angebots bei den Teilnahmeberechtigten

    In der ersten Phase des Projekts von 2020 bis 2022 konnte die Langzeitarbeitslosigkeit in der Stadt Gramatneusiedl deutlich reduziert werden. Die Quote der von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen sank bisher um 60 Prozent. Das Programm, das sich primär an Personen richtet, die seit mehr als 9 Monaten arbeitslos waren, wirkte sich jedoch auch auf die Quote der Gesamtarbeitslosigkeit der Stadt aus. Diese sank um gut 20 Prozent. Dies ist insofern zu beachten, als dass das Programm freiwillig war. Keiner der berechtigten Teilnehmenden lehnte eine angebotene Stelle ab. Einem Teil der in Frage kommenden Personen konnte unter anderem aus Krankheitsgründen oder wegen Aufnahme einer regulären Tätigkeit keine Beschäftigung angeboten werden. 

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    Positive Effekte auf das Wohlbefinden und Gemeinschaftsleben

    Die Studie verdeutlicht, dass die positiven Effekte besonders bei persönlichen und sozialen Indikatoren hoch ausfallen. Die Teilnehmer gaben an, ihren Alltag besser strukturieren zu können und empfanden die Ausübung einer sinnvollen Tätigkeit als außerordentlich positiv. So gaben rund 90 Prozent der Befragten an, soziale Kontakte besser aufbauen und pflegen zu können als in der Zeit der Arbeitslosigkeit. Insgesamt wurde das Programm als Chance gesehen, das eigene Leben wieder selbstständig führen zu können. Die Jobs, die größtenteils in Projekten der kommunalen Ebene stattfanden und sich dort auf soziale Bereiche bezogen, wurden als besonders sinnstiftend wahrgenommen. Die soziale Anerkennung und die Einbindung innerhalb der Gemeinde wuchsen. Die zuvor angenommenen positiven Auswirkungen auf die Gesundheit der Teilnehmer konnten hingegen nicht beobachtet werden. 

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    Steigerung der wirtschaftlichen Partizipation

    Bestätigt wurden die Forscher in ihrer Annahme, dass sich das ökonomische Wohlbefinden der Teilnehmenden steigern wird. Alle wurden zum tariflich festgeschriebenen Mindestlohn eingestellt: sowohl diejenigen, die für das eigens gegründete Sozialunternehmen tätig wurden, als auch jene, die für private Arbeitgeber arbeiteten. Dies wirkte sich positiv auf das Einkommen der Teilnehmer aus, die finanziellen Sorgen sanken und die wirtschaftliche Sicherheit wuchs. Dies wiederum steigerte die gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten der Teilnehmenden innerhalb ihrer Stadt.

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    Größtenteils keine Einstellung bei bestehenden Arbeitgebern

    Die meisten Arbeitslosen fanden keine Anstellung bei einem bereits vor Ort bestehenden Betrieb – obwohl der AMS die Teilnehmenden zunächst darin unterstützte, einen Job auf dem regulären Arbeitsmarkt zu finden. Hierzu bezuschusste der AMS die Betriebe in den ersten drei Monate mit 100 Prozent Lohnkostenübernahme, in den darauffolgenden Monaten immer noch mit bis zu 66 Prozent. Dennoch war die Gründung eines Sozialunternehmens notwendig, das im Auftrag des AMS die Teilnehmenden einstellte. Die geschaffenen Stellen orientierten sich am Gemeinwohl der Stadt, richteten sich aber auch nach den Bedürfnissen der Teilnehmenden. Eine Vermittlung in den klassischen Arbeitsmarkt hätte laut Evaluation zunächst nicht funktioniert. 

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    Ausgeglichene Kosten einer Jobgarantie

    Die Projektlaufzeit ist zunächst bis 2024 festgelegt. Zum Zeitpunkt der Evaluation hatten insgesamt 120 Personen eine Tätigkeit mittels des Programms erhalten. Die Teilnehmer erhielten bisher einen Mindestlohn von rund 1.500 Euro im Monat. Pro Jahr und Teilnehmenden belaufen sich die Kosten aktuell auf 29.841 Euro. Ein Jahr Arbeitslosigkeit kostet in Österreich pro Betroffenen rund 30.000 Euro. Der Unterschied hierzu ist demnach marginal. Insgesamt wurden die Kosten des Projekts für den Zeitraum von 2020 bis 2024 auf rund 7,4 Millionen Euro budgetiert.  

Zur Studie

Zur Studie

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Oxford konzipierten das weltweit erste Projekt einer universellen Arbeitsplatzgarantie und begleiten die praktische Umsetzung nun seit 2020. Die Laufzeit ist zunächst auf vier Jahre begrenzt. Finanziert wird das Projekt durch den niederösterreichischen Arbeitsmarktservice (AMS), durchgeführt wird es in der Stadt Gramatneusiedl. Zu Beginn des Projektes war etwa jeder fünfte Arbeitssuchende in Niederösterreich seit mehr als einem Jahr ohne Tätigkeit. Das Team der University of Oxford evaluiert das Programm anhand einer randomisierten Kontrollstudie, einer synthetischen Kontrollmethode sowie dem Vergleich aller Teilnehmenden mit beobachtungsähnlichen Personen in Kontrollgemeinden. 

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