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Wer lange arbeitet, geht seltener wählen

Lange und sozialunverträgliche Arbeitszeiten verringern die Wahlbeteiligung der Berufstätigen, zeigt eine neue WZB-Studie.

Eine aktuelle Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) zeigt, wie sich lange und sozialunverträgliche Arbeitszeiten auf politische Beteiligung auswirken. Hierfür nahmen die Autorinnen und Autoren insgesamt 24 europäische Länder in den Blick und werteten die Wahlbeteiligung bei nationalen Wahlen vor und im Jahr 2010 aus. Ein Fokus lag auf geschlechtsspezifischen Unterschieden. Die Kernergebnisse im Überblick:

Kernergebnisse

  1.  
     

    Trend zu langen Arbeitszeiten

    Der Trend zu langen Arbeitszeiten hat in den letzten Jahrzehnten bei einem Großteil der Erwerbstätigen zugenommen. So arbeiten 23 Prozent der Männer in Industrieländern in formellen und knapp 32 Prozent in nicht staatlich registrierten Beschäftigungen mehr als 48 Stunden pro Woche. Obwohl lange Arbeitszeiten vorrangig unter Männern verbreitet sind, arbeiten ebenfalls etwa 13 Prozent der Frauen in den 24 untersuchten europäischen Ländern mehr als 45 Stunden pro Woche. Knapp 39 Prozent sind oftmals abends bzw. nachts oder am Wochenende tätig. Diese Arbeitsbedingungen schmälern die individuelle politische Teilhabe. Denn dafür sind Zeitressourcen nötig, die aufgrund der Arbeitszeiten stark eingeschränkt sind.

  2.  
     

    Gesundheitliche Belastung, weniger soziale Teilhabe

    Lange und unsoziale Arbeiten wirken sich auch auf die Gesundheit der Beschäftigten aus. Körperliche und psychische Belastungen wiederum können das Interesse an politischer Mitbestimmung  minimieren, insbesondere bei Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status. Ebenso verringert sich die soziale Teilhabe, wenn Beschäftigte zunehmend mehr in Tätigkeiten arbeiten in denen sie für sich selbst und außerhalb eines festen Kollegiums tätig sind.  Eine Wahl ist aber immer auch ein sozialer Akt: Personen werden maßgeblich von anderen Menschen in ihrem Umfeld beeinflusst, zur Wahl zu gehen und sich für politische Entwicklungen zu interessieren.  

  3.  
     

    Frauen haben weniger Zeit, sich politisch zu engagieren

    Die Auswirkungen von Arbeitszeiten auf die Wahlbeteiligung unterscheiden sich nach Geschlecht. Die Studie zeigt, dass sich hauptsächlich bei Frauen Arbeitszeiten und –dauer auf politische Teilhabe auswirken. Ein Grund für diese geschlechtsspezifischen Unterschiede ist, dass Frauen weiterhin mehr unbezahlte Fürsorgearbeit leisten. Sie übernehmen neben ihrer Berufstätigkeit den Hauptteil der Arbeit zu Hause und haben dementsprechend noch weniger Zeit, sich politisch zu engagieren. 

  4.  
     

    Unterschiede zwischen den Berufsgruppen

    Bei Frauen zeigen sich Auswirkungen der Arbeitszeiten auf die Wahlbeteiligung insbesondere in den Berufsgruppen Manager / Techniker / Führungskraft sowie in der am stärksten betroffenen Gruppe der in Bürotätigkeiten / Service / Verkauf arbeitenden Frauen. Bei den Männern hingegen waren nur diejenigen signifikant betroffen, die den niedrigsten beruflichen Status n hatten, wie etwa einfache Arbeiter. 

Studie

Zur Studie

In der im Dezember 2022 erschienenen Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung untersuchen die Autorinnen und Autoren Jianghong Li, Heiko Giebler, Rebecca Wetter, Hannah Kenyon Lair, und Julia Ellingwood den Zusammenhang von Arbeitszeiten und Wahlbeteiligung. Die Studie mit dem Titel „Unequal electoral participation: the negative effects of long work hours and unsociable work schedules in Europe" ist im European Journal of Politics and Gender erschienen. Für die Studie wurden Daten der jüngsten Erhebungswelle des European Social Surveys (ESS) analysiert. Die Stichproben umfassten Personen, die zu den Zeitpunkten der Wahlen wahlberechtigt und erwerbstätig waren. Analysiert wurden insgesamt 24 europäische Länder.

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