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„Brücken in Berufe bauen, die eine Zukunft haben“

Österreich macht’s vor: Eine staatlich geförderte Ausbildungsgarantie hilft beim Einstieg ins Berufsleben. IAB-Direktor Bernd Fitzenberger über ihre Potentiale.

  • Auch Deutschland plant eine Ausbildungsgarantie: als staatliche geförderte Alternative, wenn ein junger Mensch nicht in einer betrieblichen Ausbildung unterkommt.
  • Arbeitsmarktforscher Bernd Fitzenberger erklärt im Interview, wie dies beim Einstieg in den Arbeitsmarkt helfen kann.
  • Vor allem im Handwerk hat die Ausbildungsgarantie Potenzial – aber auch sie kann nicht alle Probleme lösen.
Bernd Fitzenberger
© Bernd Fitzenberger

Einführung einer Ausbildungsgarantie als Paradigmenwechsel

Inwieweit stellt die Einführung einer Ausbildungsgarantie, wie sie aktuell von der neuen Regierung geplant ist, einen Paradigmenwechsel im System der beruflichen Ausbildung dar – insbesondere vor dem Hintergrund der Marktsteuerung am Ausbildungsmarkt?

Bernd Fitzenberger: Die konkreten Pläne der Regierung stehen noch nicht fest. Bislang wird das Vorbild Österreich genannt: Die Ausbildungsgarantie tritt dort ein, wenn ein junger Mensch nicht in einem Betrieb unterkommt. In diesem Fall kann er stattdessen eine sogenannte überbetriebliche, staatlich geförderte Ausbildung machen. Entsprechende Maßnahmen gibt es in Deutschland bereits. Insofern ist es kein grundsätzlicher Wandel. Den Berufseinstieg stärker staatlich zu fördern, kommt aber einer Akzentuierung und einer Stärkung des Einstiegs in eine Ausbildung gleich.

Wichtig ist, dass nach der überbetrieblichen Ausbildung auch der Übergang in eine qualifizierte Beschäftigung gelingt: Erst wenn ein Jugendlicher übernommen wird, funktioniert die Marktsteuerung. Das zu stärken, wäre aus meiner Sicht sinnvoll. Dabei müssen die Angebote zu den nachgefragten Berufen passen. Dort, wo es Engpässe gibt, müssen Brücken gebaut werden. Und: Der Arbeitsmarkt verändert sich. Jugendliche werden nur Branchen und Unternehmen mit Geschäftsmodellen wählen, für die es auch in Zukunft noch Stellen gibt. Wir müssen also Brücken in Berufe bauen, die eine Zukunft haben.

Bernd Fitzenberger

Bernd Fitzenberger

Direktor des IAB

Bernd Fitzenberger ist seit September 2019 Direktor des IAB und seit Oktober 2020 Professor für Quantitative Arbeitsökonomik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er studierte an der Universität Konstanz und an der Stanford University in den USA Volkswirtschaftslehre, Mathematik und Statistik. Seine Hauptforschungsgebiete sind Einkommens- und Lohnungleichheit, Beschäftigungsentwicklung, Evaluation von Maßnahmen der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik, berufliche Bildung und der Übergang Schule-Beruf.

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Während der COVID-19-Pandemie ist die Zahl der Bewerber/-innen auf einen Ausbildungsplatz deutlich gesunken. Inwieweit können Jugendliche durch die Ausbildungsgarantie von einer beruflichen Ausbildung überzeugt werden? Welche zusätzlichen Instrumente und Maßnahmen sind dafür notwendig?

Fitzenberger: Das stimmt, es gab einen massiven Rückgang. Der Bewerbungs- und Orientierungsprozess hat gelitten, es konnten keine Praktika angeboten werden. Und die Pandemie hat kurzfristig dazu geführt, dass weniger Ausbildungsplätze ausgeschrieben wurden. Da haben sich viele Jugendliche vom Ausbildungsmarkt zurückgezogen.

Inzwischen werden wieder sehr viel mehr Ausbildungsplätze angeboten, von denen manche aufgrund von Bewerbermangel gar nicht besetzt werden können. Vielen Jugendlichen – und ihren Eltern – ist das nicht bekannt. Daher kann eine Ausbildungsgarantie ein sinnvolles Instrument sein, um Jugendliche zu erreichen und sie wieder für eine Duale Ausbildung  zu interessieren. Mit dem Signal, dass es auf jeden Fall ein Angebot an Ausbildungsplätzen gibt, werden sich Jugendliche wieder verstärkt auf den Weg der Berufsorientierung machen – und so für attraktive Ausbildungsberufe zu gewinnen sein.

Eine Garantie allein wird aber nicht reichen. Wir müssen verdeutlichen, dass eine Ausbildung enorm wichtig für den Einstieg in den Arbeitsmarkt und spätere Verdienstmöglichkeiten ist. Und es braucht ein Rundumangebot mit individueller Beratung, Praktika und mit außerbetrieblichen Ausbildungen, wenn es keine betrieblichen gibt – und zwar solchen, die zu den Bewerbenden passen und die nach erfolgreichem Abschluss zu guten Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten führen.

Fachkräftesicherung durch Ausbildungsgarantie

Welche weiteren konkreten Problemstellungen am Ausbildungsmarkt könnten durch eine Ausbildungsgarantie gelöst werden – und welche nicht? Inwieweit kann die Ausbildungsgarantie dabei auch eine Rolle zur Fachkräftesicherung spielen?

Fitzenberger: Was eine Garantie nicht vermag: Jugendliche mit guten schulischen Leistungen, die viele Alternativen wie Hochschule und Studium haben, von einer dualen Ausbildung zu überzeugen. Die steigen anders in den Arbeitsmarkt ein. Mithilfe einer Garantie kann es aber gelingen, Jugendliche, die heute noch ohne Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt landen – und das betrifft häufig Jugendliche mit Migrationshintergrund  – in eine Ausbildung zu bringen.

Im Hinblick auf die Fachkräftesicherung hat die Ausbildungsgarantie vor allem im Handwerk großes Potenzial: Hier scheiden bald viele ältere Berufstätige aus dem Arbeitsmarkt aus, deshalb gibt es viele und gut bezahlte offene Stellen. Und: Hierzulande steigen viele Menschen in einem relativ hohen Alter, mit über 20 Jahren, in die duale Ausbildung ein. Eine Garantie könnte diesen Prozess beschleunigen – sofern man auf die richtigen Pferde setzt und Angebote in Berufen macht, die nachgefragt sind.

Exkurs: Marktsteuerung am Ausbildungsmarkt

  • Das Ausbildungsangebot in der dualen Ausbildung ist in Deutschland grundsätzlich marktwirtschaftlich organisiert. Jugendliche, die sich für eine duale Berufsausbildung interessieren, müssen sich daher an den von den Ausbildungsbetrieben angebotenen Ausbildungsstellen orientieren. Um schließlich einen Ausbildungsplatz zu erhalten, müssen Bewerberin bzw. Bewerber und Ausbildungsbetrieb am Ausbildungsmarkt zusammenkommen und einen Ausbildungsvertrag abschließen. Das Berufsbildungsgesetz legt dabei Standards in der Vertragsgestaltung zwischen Ausbildungssuchenden und Ausbildungsbetrieben fest.

    Unsere Data Story zur dualen Ausbildung wirft einen näheren Blick auf die Entwicklung des Ausbildungsmarktes in der Vergangenheit.

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