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Fachkräftemangel im Handwerk: Ländliche Regionen sind besonders betroffen

Die Fachkräftesicherung und -gewinnung ist zu einer zentralen sozialpolitischen Herausforderung geworden. Besonders drängend sind die Nachwuchssorgen im Handwerk – mit deutlichen regionalen Unterschieden, wie das Beispiel Nordrhein-Westfalens zeigt.

  • Ein flächendeckender Engpass lässt sich deutlich in Handwerksberufen feststellen. Hierbei zeichnet sich in den Berufen Sanitär,- Heizungs- und Klimatechnik sowie in der Zimmerei ein dramatisches Bild. 
  • Ländlich geprägte Flächenkreise sind in stärkerem Maße betroffen als strukturstarke städtische Räume, wie am Beispiel Nordrhein-Westfalens ersichtlich wird. 
  • Das heimische Fachkräftepotenzial bleibt bisher oftmals ungenutzt. Die Gewinnung von Nachwuchskräften stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen. 

Der Arbeitsmarkt steht vor grundlegenden Veränderungen. Eine der wesentlichen Ursachen hierfür sind die Folgen des demografischen Wandels. Die Zahl der jüngeren Menschen zwischen 15 und 24 Jahren sinkt, während jede zweite Person älter als 45 Jahre ist. Hinzu kommt: Die zwischen 1946 und 1964 geborene ‚Baby-Boomer-Generation‘ erreicht in den kommenden Jahren das Renteneintrittsalter. Zusätzlich führt die digitale Transformation einerseits zu Stellenabbau in bestimmten Bereichen und Tätigkeiten, andererseits entstehen neue Stellenprofile mit entsprechendem Qualifikationsbedarf (Haipeter et al. 2021). Ähnliche Veränderungsprozesse lassen sich bei der Dekarbonisierung  feststellen. Vor diesem Hintergrund ist die Fachkräftesicherung und -gewinnung zu einer zentralen sozialpolitischen Herausforderung und zum festen Bestandteil der öffentlichen, wissenschaftlichen und politischen Debatte geworden (Bonin, 2020). Bundesweit zeigen sich Engpässe bei Fachkräften  , also Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung.   

Problemfeld Handwerk: Nordrhein-Westfalen im Fokus

Eine Branche, die dabei immer wieder heraussticht, ist das Handwerk. Bundesweit konnten in dieser Branche rund 87.500 Stellen im Jahr 2021 nicht besetzt werden, im Jahr 2020 belief sich die Zahl noch auf 65.000 (Malin et al. 2022). Der Fachkräftemangel im Handwerk ist damit im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 weiter gestiegen. In Nordrhein-Westfalen zählt die Branche mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten zu den stärksten Arbeitgebern. Mit rund 137 Milliarden Euro Jahresumsatz ist das Handwerk zudem der wirtschaftsstärkste Bereich des Bundeslandes (Malin et al. 2022). 

Dennoch bestehen regionale Unterschiede, wie das Beispiel NRW zeigt. Besonders gravierend ist der Fachkräftemangel hier in einigen stärker ländlich geprägten Regionen wie Ostwestfalen/Lippe. Hier besteht ein deutlich stärkerer Handlungsbedarf als dies in den Arbeitsmarktregionen um Düsseldorf, Essen oder Köln der Fall ist. Fragen zur Fachkräftegewinnung und -sicherung sind daher in diesen Arbeitsmarktregionen nicht erst perspektivisch, sondern bereits im Hier und Jetzt von hoher Relevanz. (Jansen, 2022). Auch bundesweit werden in erster Linie ländliche geprägte und strukturschwache Regionen von zunehmendem Fachkräftemangel betroffen sein.

Wie sich der Handwerksanteil Nordrhein-Westfalens im Vergleich zur Gesamtwirtschaft und zu den restlichen Bundesländern entwickelt hat, zeigt folgende Grafik:  

Die Abbildung zeigt auf, wie sich Frauen und Männer im Jahr 2022 prozentual auf einzelne Berufe und Branchen verteilten. Es handelt sich bei der Darstellung um ein Balkendiagramm, Stichtag für die Datenerhebung war der 30. September 2022. Die Ergebnisse wurden errechnet, basierend auf den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit, 2023, Beschäftigte nach Berufen (KidB 2010).

Nachwuchs verzweifelt gesucht – während heimisches Potenzial brachliegt

Ein Grund für den Engpass an Fachpersonal liegt im Mangel an nachkommenden jungen und ausreichend qualifizierten Arbeitskräften. Unternehmen haben in den vergangenen Jahren zunehmend Probleme damit, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Zeitgleich war im Jahr 2022 rund jeder zehnte Deutsche zwischen 18 und 24 Jahren erwerbslos oder ohne Ausbildungsplatz (OECD-Bildungbericht, 2022). Die Zahl derjenigen, die gänzlich ohne Schulabschluss bleiben, liegt seit Jahren konstant bei rund 6 Prozent (Klemm, 2023). Es ist also durchaus heimisches Potenzial vorhanden, das bisher jedoch oftmals ungenutzt bleibt.

Und die Nachwuchssorgen werden drängender: Während im Corona-Jahr 2020 ein deutlicher Rückgang an Ausbildungsplätzen zu verzeichnen war, steigt die Zahl nun wieder spürbar an. Ein Blick auf das Anforderungsniveau der offenen Stellen zeigt: Es fehlt bundesweit an Gesellinnen und Gesellen mit Berufsabschluss. Die Suche nach Meisterinnen und Meistern stellte sich im vergangenen Jahr jedoch als noch schwieriger heraus. Vier von zehn Meisterstellen konnten allein in NRW nicht besetzt werden, da es zu dem Zeitpunkt keine Erwerbslosen mit entsprechender Qualifikation gab.

Gleichzeitig macht sich in der Handwerksbranche der bereits genannte demografische Wandel deutlich bemerkbar. Rund 36 Prozent der landesweit sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Handwerk sind 50 Jahre oder älter. Bei den Berufen, die nur in Anteilen zum Handwerk zählen, liegt die Zahl sogar bei 40 Prozent (Malin et al. 2022).