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Recht auf Weiterbildung: Garant für lebenslanges Lernen oder Belastung?

Fürs lebenslange Lernen ist ein Recht auf Weiterbildung in der Diskussion. Unsere Gastbeiträge zeigen Positionen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite.

Lebenslanges Lernen ist in Zeiten von Digitalisierung und anderen Megatrends für die Beschäftigungsfähigkeit  der meisten Menschen grundlegend. Um Weiterbildungshemmnisse abzubauen, fordert unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ein Recht auf Weiterbildung. Dagegen fürchtet etwa die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber, dass ein Recht auf Weiterbildung keine bedarfsgerechte Lösung für Weiterbildung darstellt und die Betriebe zu sehr belasten würde. Lesen Sie in den Gastbeiträgen von DGB und BDA, welche weiteren Argumente aus ihrer Sicht für oder gegen ein Recht auf Weiterbildung sprechen.

BDA: Passgenaue Weiterbildung gelingt nur gemeinsam

Passgenaue Weiterbildung gelingt gemeinsam, nicht mit einseitigem Recht auf Weiterbildung

Von Susanne Müller, stellvertretende Abteilungsleiterin Bildung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)

Weiterbildung ist aus Sicht der Arbeitgeber dann erfolgreich, wenn sie passgenau und zielgruppenorientiert ist, sich also an den individuellen Bedarfen orientiert und konkrete Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt bietet. Ein generelles Recht auf Weiterbildung erfüllt diese Bedingungen nicht, sondern stellt ausschließlich auf ein persönliches Interesse ab. Die Verantwortung für Weiterbildung liegt grundsätzlich in der Hand von Arbeitgebern und Beschäftigten, die gemeinsam bedarfsgerechte Lösungen finden. Sie werden dabei von vielen Akteuren, zum Beispiel den Agenturen für Arbeit, unterstützt. Auch Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Beschäftigte erhalten dort passgenaue Unterstützung, etwa beim Nachholen eines Berufsabschlusses – unabhängig von einem Arbeitgeber.

Susanne Müller
© BDA - Susanne Müller, stellvertretende Abteilungsleiterin Bildung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)

„Ein Recht auf Weiterbildung belastet die Arbeitgeberseite unverhältnismäßig“

Weiterbildung ist für Arbeitgeber ein zentraler Schlüssel, um auf veränderte Anforderungen der Arbeitswelt oder auch auf die wachsende Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften  reagieren zu können. Für Beschäftigte ist Weiterbildung ein wichtiger Faktor, um auch in Zeiten ständigen Wandels beschäftigungsfähig zu bleiben. Von bedarfsgerechter Weiterbildung profitieren daher grundsätzlich beide Seiten. Ein Recht auf Weiterbildung belastet aber eine Seite unverhältnismäßig – die Arbeitgeber. Denn sie verlieren in Zeiten eines erheblichen Arbeitskräftemangels zumindest vorübergehend Beschäftigte, gegebenenfalls sogar dauerhaft.

Es besteht auch kein Bedarf für ein Recht auf Weiterbildung, denn die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland ist hoch. Laut Adult Education Survey lag sie 2020 bei einem Höchstwert von 60 Prozent. Betriebe haben in demselben Jahr laut Institut der deutschen Wirtschaft 41 Milliarden Euro in Weiterbildung investiert. Statt eines einseitigen Rechts muss es vielmehr darum gehen, die geteilte Verantwortung für Weiterbildung weiterzuleben und gemeinsam passgenaue Lösungen zu finden – gerade auch im Rahmen der Sozialpartnerschaft.

DGB: Ohne Anspruch auf Weiterbildung verlieren viele Beschäftigte den Anschluss

Ohne Recht auf Weiterbildung verlieren viele Beschäftigte in der Transformation den Anschluss

Von Jan Krüger, DGB-Abteilungsleiter Bildungspolitik

Oft gilt sie als nice-to-have und häufig ist sie im Betrieb nur für Führungskräfte reserviert – die Weiterbildung. Dabei spielt das lebensbegleitende Lernen seit Jahren in fast jeder Sonntagsrede eine Rolle. Aber mit bloßen Lippenbekenntnissen ist es nicht mehr getan. Wir brauchen mehr Weiterbildung, denn die Transformation verändert Arbeit und Wirtschaft grundlegend. Der technologische Wandel, neue Geschäftsmodelle und Arbeitsprozesse strukturieren Produktion und Beschäftigung tiefgreifend um. Die Beschäftigten sind auf Möglichkeiten der betrieblichen Qualifizierung und der beruflichen Weiterbildung angewiesen, wenn sie sich in der digitalen und sozial- ökonomischen Transformation beruflich anpassen und weiterentwickeln müssen und wollen.

Jan Krüger
© NGG/Vanessa Pries - Jan Krüger, DGB-Abteilungsleiter Bildungspolitik

„Ein Recht auf Weiterbildung kann eine Polarisierung auf dem Arbeitsmarkt verhindern.“

Mit einem Recht auf Weiterbildung hätten die Beschäftigten bessere Möglichkeiten für betriebliche Qualifizierung und berufliche Weiterbildung. Überdies erhalten sie damit die Gelegenheit, eine Weiterbildung auch ohne Zustimmung von Arbeitgebern oder Behörden nutzen zu können. Dafür brauchen wir eine verlässliche und verbindliche Architektur lebenslangen Lernens, die erstens Zeitansprüche Beschäftigter auf Weiterbildung durch Freistellungsregelungen ermöglicht, die zweitens die Förderung von Weiterbildung so gestaltet, dass Beschäftigte ihren Lebensunterhalt während einer Weiterbildung sichern können und die drittens auf qualitativ bessere (gehaltvollere) Weiterbildungsangebote setzt.

Ohne ein Recht auf Weiterbildung besteht die Gefahr, dass die Transformation zu einer stärkeren Polarisierung in den Belegschaften und auf dem Arbeitsmarkt führt. Insbesondere An- und Ungelernte, aber auch viele Fachkräfte und vor allem Frauen haben derzeit kaum Möglichkeiten und keine Gelegenheit für Weiterbildung. Die im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben wie etwa die Bildungs(teil)zeit weisen in die richtige Richtung. Es bleibt aber die Herausforderung, dass Förderinstrumente für Weiterbildung ausgeweitet, weiterentwickelt und besser aufeinander abgestimmt werden müssen.

Ausgestaltung eines Rechts auf Weiterbildung

  • Ein Recht auf Weiterbildung legt Ansprüche für eine Zielgruppe (z.B. Erwerbspersonen oder Beschäftigte) fest, die rechtlich verbindlich sind. Welche Ansprüche ein Recht auf Weiterbildung umfasst, hängt von der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber ab. Es kann etwa einen Anspruch auf Zeit für Beschäftigte regeln, der beispielsweise ermöglicht, die Arbeitszeit während der Weiterbildung zu reduzieren oder ganz zu pausieren. Das Recht kann auch einen Anspruch auf Unterstützung des Lebensunterhalts festlegen: zum Beispiel durch Unterstützung des Lebensunterhalts in Form von staatlich geförderten Entgeltersatzleistungen, Sozialversicherungsleistungen oder durch eine Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers. Darüber hinaus kann ein Recht auf Weiterbildung einen Anspruch auf die Erstattung von Weiterbildungskosten formulieren. Auch hier kann der Gesetzgeber regeln, ob die Kosten eines Weiterbildungsganges beispielsweise durch den Staat, einen Sozialversicherungsträger oder den Arbeitgeber teilweise oder vollständig zu erstatten sind. Schließlich kann ein Recht auf Weiterbildung einen Anspruch auf soziale Sicherung formulieren, wenn Erwerbspersonen für die Zeit einer Weiterbildung nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.

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