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Brauchen wir regionale Mindestlöhne? Ein Pro und Contra

Wer den Mindestlohn verdient, bekommt 12 Euro pro Stunde – egal, wo er in Deutschland wohnt. Doch das hat auch Nachteile. Forscher diskutieren, ob regionale Mindestlöhne besser wären.

Der im Jahr 2015 eingeführte gesetzliche Mindestlohn legt einheitlich für alle Berufe, Branchen und Regionen eine verbindliche Lohnuntergrenze fest. Egal, ob man in Zwickau oder München, Berlin oder Duisburg arbeitet: Seit Oktober 2022 haben nahezu alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer  einen Anspruch darauf, mindestens 12 Euro pro Stunde zu verdienen. Doch ist es sinnvoll, den Mindestlohn immer bundesweit einheitlich anzuheben? Oder wären regional unterschiedliche Mindestlöhne eine bessere Alternative? Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) diskutieren, ob und wie Mindestlohnerhöhungen regional unterschieden werden könnten. Die Argumente im Überblick:

Pro

  • Ein bundesweit einheitlicher Mindestlohn berücksichtigt Kaufkraftunterschiede nicht. In einigen ländlichen Regionen zum Beispiel sind die Lebenshaltungskosten und das allgemeine Preisniveau besonders niedrig. Wer dort den Mindestlohn bekommt, profitiert stärker von einer Erhöhung, weil er sich vor Ort mehr von dem Geld leisten kann als jemand in teuren Ballungsgebieten.

  • Mit regional angepassten Mindestlöhnen würden alle Menschen, die den Mindestlohn erhalten, in Bezug auf ihre Kaufkraft gleichgestellt. 

  • Mit einer regionalen Differenzierung könnte der Mindestlohn genauer an das regionale Preisniveau angepasst werden.   

  • Regionale Preisunterschiede gehen in der Regel auch mit regionalen Lohnunterschieden einher. Das Lohnniveau fällt in hochpreisigen Regionen oft ebenfalls hoch aus. Die Erhöhung des Mindestlohns hat in diesen Regionen deshalb vergleichsweise geringe Auswirkungen. Im Vergleich zum derzeitigen Verfahren würden Menschen, die in hochpreisigen Regionen leben, mit einem regionalspezifischen Mindestlohn daher bessergestellt.  

  • Wenn der Mindestlohn an die regionalen Lebenshaltungskosten angepasst würde, wäre der staatliche Eingriff vermutlich weniger stark zu spüren als bei einem bundeseinheitlichen Mindestlohn. Aktuell dürfte es für Betriebe in Regionen mit niedrigem Preisniveau nämlich schwieriger sein, nach bundeseinheitlichen Mindestlohnerhöhungen weiterhin rentabel zu wirtschaften. Die Logik dahinter: Sie müssen zwar mehr für die Löhne zahlen, können ihre Produkte aber nicht in gleichem Maß verteuern und haben somit Einbußen.

  • Wenn die Mindestlöhne durch einen regionalen Preisindex errechnet würden, wären die Unterschiede trotzdem überschaubar. Statt eines einheitlichen Mindestlohns von 12 Euro, gehen die IAB-Forscher von regional unterschiedlichen Mindestlöhnen Mindestlöhnen zwischen 11,07 bis 13,19 Euro aus.  

Contra

  • Eine regionale Differenzierung wäre politisch vermutlich nur schwer durchsetzbar. Denn die Mindestlöhne in Ostdeutschland würden zum Beispiel niedriger ausfallen als derzeit. Vermutlich müsste es deshalb weiterhin einen bundesweiten Mindestlohn geben, von dem nur nach oben hin abgewichen werden kann. Dafür müsste man den regionalen (Landes-)Regierungen erlauben, Aufschläge zum Bundes-Mindestlohn festzusetzen. Dies würde dann aber dazu führen, dass die unterschiedlichen Mindestlöhne zum politischen Spielball regionaler Akteure werden. Dieser Entwicklung könnte man mit regionalen Mindestlohnkommissionen entgegenwirken. 

  • Falls es weiterhin bei einer gesamtdeutschen Mindestlohnkommission bliebe, könnte ihre Arbeit schwieriger werden. Denn die Mindestlohnkommission müsste auch eine auf anderer Ebene durchgeführte regionale Differenzierung mitberücksichtigen. 

  • Der bürokratische Aufwand zur staatlichen Kontrolle der Mindestlöhne würde steigen und auch der Bürokratieaufwand für Betriebe, wenn diese mehrere Standorte in unterschiedlichen Bundesländern haben. 

  • Eine sinnvolle regionale Abgrenzung ist schwierig und kann dazu führen, dass Betriebe in Regionen mit niedrigeren Mindestlöhnen ausweichen.  

  • Eine regionale Differenzierung, die sich an der Kaufkraft der Beschäftigten orientiert, greift zu kurz. Denn Löhne müssen erwirtschaftet werden. Deshalb sind aus ökonomischer Sicht die jeweiligen Produktivitätsunterschiede ausschlaggebender als regionale Kaufkraftunterschiede.   

  • Es gibt bislang zu wenig Daten, um den Mindestlohnerhöhungen regional sinnvoll differenzieren zu können. Ein regionaler Verbraucherpreisindex wird derzeit durch das Statistische Bundesamt nicht erhoben und müsste erst entwickelt werden.  

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