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Illustration Interview

„Beschäftigung bleibt in der Pandemie überraschend stabil“

Mit Home-Office  und Kurzarbeit  haben Unternehmen schnell auf die Pandemie reagiert. Dr. Natalie Laub und Tobias König vom IAW zu den Folgen für Innovationen, Beschäftigung und Ausbildung.

  • Kurzarbeit und Home-Office: Mit diesen beiden Instrumenten haben Betriebe schnell auf die Pandemie reagiert.
  • Die Zahl der Beschäftigten und Auszubildenden ist im ersten Pandemie-Jahr unerwartet stabil geblieben.
  • Das zeigt die Studie „Covid-19-Pandemie und betriebliche Anpassungsmaßnahmen“, in der das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Pandemie auf Betriebe und Beschäftigte auswertet. Ein Interview mit Dr. Natalie Laub und Tobias König vom Studienteam.
Natalie Laub
© Verena Müller/IAW - Natalie Laub

Unternehmen reagieren schnell mit Kurzarbeit und Home-Office

Wie haben Unternehmen auf die Schocks durch die Corona-Pandemie reagiert? Welche Beschäftigtengruppen waren besonders betroffen?

Natalie Laub: Es gab zwei große Reaktionen, die erstaunlich schnell passiert sind: Das eine war das schon erprobte Mittel der Kurzarbeit, als die Zahlen massiv in die Höhe geschnellt und dann zum Glück übers Jahr 2020 auch wieder zurückgegangen sind. Das andere ist die Ausweitung der Home-Office-Nutzung, das bis dahin noch nicht so stark verbreitet war. Der Anteil derjenigen, die zu Hause arbeiten, ist enorm gestiegen, ebenso der Anteil der Arbeitszeit im Home-Office. Auch bei der Home-Office-Nutzung haben wir gesehen, dass sie in entspannteren pandemischen Phasen in einigen Bereichen schnell wieder zurückgegangen ist. Besonders stark haben die IT-Bereiche, Berufe mit beratenden Tätigkeiten oder in Unterricht und Weiterbildung Home-Office genutzt, während die Beschäftigten in anderen Branchen vor Ort arbeiten mussten.

Tobias König: Vereinfacht gesagt hat vor allem der Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen das Home-Office genutzt. Die Industrie hat stärker mit Kurzarbeit reagiert. Auch jetzt nach der Studie beobachten wir noch punktuell, dass der Industrie-Mittelstand immer wieder wochen- und tageweise in Kurzarbeit geht.

Laub: Und gerade bei den Selbstständigen, die von der Pandemie sehr stark betroffen waren, sehen wir eine Veränderung des Produktportfolios in Richtung Digitalisierung. Am stärksten fand die Digitalisierung aber im Kommunikationsbereich statt. Dabei ist die Frage, wie nachhaltig die Veränderungen sind.

Tobias König
© Verena Müller/IAW - Tobias König
Natalie Laub

Dr. Natalie Laub

Institut für angewandte Wirtschaftsforschung

Die Volkswirtin Natalie Laub forscht vor allem zur Integration vulnerabler Gruppen in den Arbeitsmarkt, zu Rentensystemen und Übergängen zwischen Erwerbsleben und Rente. Nach ihrer Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik an der Universität Freiburg hat sie zu Abschlägen bei vorzeitigem Renteneintritt promoviert und arbeitet seit 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAW.

Beschäftigung und Ausbildung überraschend stabil

Welche Befunde fanden Sie besonders erstaunlich? 

König: Der moderate Beschäftigungsrückgang hat uns mit am meisten überrascht. Das hat mit dem fast flächendeckenden Einsatz von Kurzarbeit zu tun. Zum Teil blieben die Festangestellten auch verschont, weil die Betriebe weniger Leiharbeitskräfte eingesetzt haben. Auch die Ausbildung ist überwiegend stabil geblieben. Nicht nur, was die Zahlen betrifft: Oft hat sich der Ausbildungsalltag – abgesehen von Maßnahmen zum Infektionsschutz vor Ort – nicht verändert, weil Home-Office zum Beispiel im Handwerk oder in der Industrie gar nicht möglich ist. Allerdings bezieht sich unsere Studie auf den ersten Lockdown und den Zeitraum danach. Home-Office-Nutzung oder Ausbildung könnten sich anschließend drastisch verändert haben. Was wir aber schon sehen können, ist eine gewisse Ermüdungserscheinung bei den Auszubildenden: Der Ausbildungs- und Berufsschulalltag hat sich, angefangen bei permanenten Hygienemaßnahmen, so verändert, dass eine Mehrbelastung entstanden ist. Dazu kommen unsichere Zukunftsaussichten.

Laub: Langfristig wissen wir auch nicht, wie die jetzt schon zwei Jahrgänge ihren Weg ins Erwerbsleben finden. Wir haben mit Expertinnen und Experten gesprochen, die sagen „Wir haben jetzt ein, zwei Jahrgänge, die völlig von der Bildfläche verschwunden sind, wenn sie nicht in eine Ausbildung eingemündet sind.“ Machen die ein Jahr lang nichts, gehen sie weiter zur Schule? Und wann kommen sie dann auf den Ausbildungsmarkt? Ermüdungserscheinungen beobachten wir auch bei den Beschäftigten, insbesondere Müttern. Sehr erstaunlich ist, dass die Familien insgesamt mit der Unterstützung durch ihre Arbeitgeber zufrieden sind, auf der anderen Seite aber von deutlich gestiegenen Belastungen berichten. Das liegt sicher daran, dass Eltern zu Anfang der Pandemie ihre Arbeit in die Abendstunden oder ins Wochenende verlegt haben, um Zeit für die Kinderbetreuung zu finden. Gerade für die Erwerbstätigkeit von Müttern ist eine gesicherte Kinderbetreuung deshalb enorm wichtig.

Tobias König

Tobias König

Institut für angewandte Wirtschaftsforschung

Tobias König hat Wirtschafts- und Sozialgeographie studiert. Seit 2017 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAW und forscht hauptsächlich zu Themen der Regionalentwicklung, des Strukturwandels und der Unternehmensdynamik. Als Doktorand an der Philipps-Universität Marburg arbeitet er am Promotionsthema „Lebenszyklen und Clusterevolution von Branchenclustern in Deutschland“.

Wie nachhaltig sind die Veränderungen der Arbeitswelt?

Wo sehen Sie nachhaltige Veränderungen der Arbeitswelt? Und worüber wissen wir noch zu wenig?

Laub: Wir beobachten auf der einen Seite eine deutliche Ausweitung der digitalen Kommunikation. Auf der anderen Seite mussten Investitionen zurückgefahren werden, auch im digitalen Bereich. Ob das ein Wettbewerbshemmnis sein wird, wird sich zeigen. Genauso, welche Folgen die massive Ausweitung des Home-Office und damit der Wegfall vieler informeller Gespräche gerade auch auf Innovationen hat. Wunsch und Wirklichkeit beim Home-Office passen seit der Pandemie dagegen besser zusammen, da die Vorbehalte einiger Arbeitgeber zum Teil abgebaut werden konnten. Das wird vermutlich über die Pandemie hinaus tragen. Ob sich das auch darauf auswirkt, wieviel Platz Betriebe dann noch im eigenen Gebäude bereitstellen, müssen wir abwarten.

König: Der überwiegende Teil der Beschäftigten ist den Studien zufolge zufrieden mit der Home-Office-Situation – auch wenn die Ausstattung sicher nicht immer ideal ist. Auch das könnte darüber entscheiden, wie nachhaltig Home-Office als Möglichkeit des Arbeitens gesehen wird.

Zur Studie

In seiner Meta-Studie: Covid-19-Pandemie und betriebliche Anpassungsmaßnahmen hat das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) die Studienlage zu betrieblichen Anpassungen und zur Situation der Beschäftigten während der Covid-19-Pandemie in Deutschland untersucht. Die vom Autorenteam um Dr. Natalie Laub und Tobias König ausgewerteten Studien basieren auf Primärbefragungen unter Betrieben, Beschäftigten und anderen Personen in Deutschland.

Die Meta-Studie ist Teil der Begleitforschung zur Arbeitsweltberichterstattung.

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