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Gestaltungsaufgaben und Empfehlungen für Politik und Wirtschaft

Die digitale und die ökologische Transformation findet in einem dynamischen Umfeld statt, das von langfristigen Entwicklungen wie einer partiellen Deglobalisierung  oder dem demografischen Wandel geprägt ist. Daneben werden Betriebe mit zunehmenden Ansprüchen an die Work-Life-Balance als auch langfristig mit dem Fachkräftemangel konfrontiert. Eine Strategie, diesen Herausforderungen zu begegnen, ist die Förderung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit  der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Frage nach der Gestaltung nachhaltiger und menschengerechter Arbeit wird somit in den Betrieben zunehmend wichtig.  

In Spannungsfeld dieser strategischen Gestaltung langfristiger Anpassungsprozesse und der kurzfristig notwendigen Reaktion auf akute Problemlagen konzentriert sich der Rat der Arbeitswelt auf die langfristig notwendigen Veränderungsansätze in den folgenden fünf Gestaltungsfelder. 

Download Arbeitswelt-Bericht 2023

Download Gestaltungsaufgaben und Empfehlungen für Politik und Wirtschaft (Kapitel 5 und 6)

  • „Die digitale und ökologische Transformation prägt die Arbeitswelt und fordern Betriebe wie Beschäftigte gleichermaßen heraus. Weiterbildung, Mitbestimmung und Partizipation sind die entscheidenden Hebel, um diese Herausforderung erfolgreich zu meistern. Ein intensiver betriebs-, branchen- und fachübergreifender Wissens- und Erfahrungstransfer unterstützt die Unternehmen bei der Umsetzung von guten Gestaltungsansätzen.“
    Franz Donner

    Franz Donner

Gestaltungsfelder und Empfehlungen

Bedarfsgerechte und transparente Weiterbildungsstrukturen

Die Anpassung von Kompetenzen und Qualifikationen ist eine wesentliche Gelingensbedingung für die doppelte Transformation. Dabei sollten Beschäftigte, die sich für einen neuen Arbeitsplatz qualifizieren müssen, besondere Unterstützung erfahren. 

  • „Es gibt bereits eine Vielzahl an öffentlichen Fördermitteln für Weiterbildungsangebote, die die betrieblichen Akteure in der Gestaltung ihrer Transformationsprozesse unterstützen sollen. Was fehlt ist ein niedrigschwelliger, transparenter Zugang zu den Programmen einer bislang oftmals unübersichtlichen Förderlandschaft.“
    Wolfgang Schroeder

    Prof. Dr. Wolfgang Schroeder

  • Beschäftigten muss die notwendige Zeit für Weiterbildung und Kompetenzaufbau eingeräumt werden. Außerdem sollte die Finanzierung dieser Maßnahmen gesichert sein. Grundsätzlich sollte Weiterbildungen so eng wie möglich in die betrieblichen Abläufe eingebunden werden. Ist dies nicht umsetzbar oder gewünscht, braucht es bedarfsorientierte außerbetriebliche Angebote. 

    Für eine effektive Anpassung von Kompetenzen und Qualifikationen müssen die individuellen Voraussetzungen der Weiterbildungsinteressierten und die Bedarfe aktueller oder zukünftiger Arbeitgeber zusammengeführt werden. Darüber hinaus sollte transparent sein, welchen Nutzen eine Weiterbildungsteilnahme hat. Für Personen, die sich in größerem Umfang neu- oder umqualifizieren, sollte eine Übernahme nach erfolgreicher Qualifizierung mit Beginn der Weiterbildung verbindlich mit einem zukünftigen Arbeitgeber vereinbart werden. 

    Bereits im ersten Arbeitswelt-Bericht hat sich der Rat intensiv mit dem Lebenslangen Lernen als Zukunftsfaktor beschäftigt.

Tragfähige Rahmenbedingungen in einer flexiblen Arbeitswelt

Die doppelte Transformation kann auf betrieblicher Ebene neue Möglichkeiten für betriebsspezifische, flexible Lösungen eröffnen. Potenziale in der Ausgestaltung von Arbeitsort, -zeit und -organisation sollten genutzt werden, um Raum für eine doppelte Flexibilität  – für Unternehmen und Beschäftigte – zu schaffen, die das Arbeitskräfteangebot sichert und ausweitet. 

  • „Die betriebliche Personalpolitik sollte noch stärker auf eine größere Diversität der Belegschaften ausgerichtet werden. Die Beschäftigten werden dann wirkungsvoll bei der Bewältigung ihrer lebenssituationsspezifischen Bedürfnisse unterstützt.“
    Anna Kaiser

    Anna Kaiser

  • „Wir müssen alle Möglichkeiten der zeitlichen, örtlichen und organisationalen Flexibilität ausschöpfen, die das Leitbild nachhaltiger Arbeit fördern. Dann können Betriebe innovative Produkte und Dienstleistung produktiv bereitstellen. Beschäftigte werden in die Lage versetzt, ihre lebenssituationsspezifischen Bedürfnisse zu bewältigen.“
    Sascha Stowasser

    Prof. Dr.-Ing. Sascha Stowasser

  • Unternehmen benötigen flexible Gestaltungsspielräume, um ihre Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit zu bewahren. Beschäftigte brauchen eine flexible Arbeitsgestaltung, um Arbeitsanforderungen einerseits sowie Arbeit und Leben andererseits besser vereinbaren zu können. Deshalb ist es eine zentrale Gestaltungsaufgabe der betrieblichen Akteure und Sozialpartner, aber auch der Politik, die Balance zwischen mitarbeiterorientierter und unternehmerischer Flexibilität auszuloten und in Rahmenbedingungen einzubetten, die zudem eine ausreichende Stabilität von Prozessen und Beschäftigungsperspektiven ermöglichen. Attraktive, flexible Gestaltungslösungen sind somit ein wesentlicher Hebel, um das Arbeitskräfteangebot auszuweiten und den Fachkräftebedarf zu adressieren.  

Neue Allianzen für soziale Sicherheit in der Transformation

Die Transformation stellt neue Fragen an die soziale Sicherheit. Deshalb braucht es Strategien, um individuelle Risiken der Transformation für Beschäftigte zu minimieren und allen Personen Zugang zum Arbeitsmarkt und nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen  

  • „Anbieter sozialer Dienstleistungen haben eine Schlüsselrolle in der Transformation – sie können Unternehmen entlasten, wenn es darum geht ihre Beschäftigten individuell in ihrem Arbeitsalltag zu unterstützen, zum Beispiel bei der Fachkräfteintegration oder der besseren Vereinbarkeit von Beruf und familiären Sorgepflichten.“
    Michaela Evans

    Michaela Evans

  • Angesichts der massiven Fach- und Arbeitskräfteengpässe gilt es, Betriebe zu befähigen, ihre Beschäftigten dabei zu unterstützen berufliche Anforderungen und ihre spezifischen oft sehr individuellen persönlichen Voraussetzungen unter einen Hut bringen zu können. Dafür braucht es zunächst höhere Investitionen in soziale Dienstleistungen. Darüber hinaus sollten personenzentrierte Unterstützungsangebote vor Ort, etwa zur Vereinbarkeit von familiärer Sorgearbeit und Erwerbsarbeit oder zur Begleitung gesundheitlich beeinträchtigter Zielgruppen weiterentwickelt werden.  

    Besonders KMU  sollten mit dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden. Der Rat empfiehlt deshalb regionale Unterstützungsstrukturen zur Stärkung einer diversitäts- und lebensphasenorientierten Personalarbeit auf- und auszubauen. Vielversprechende Ansätze sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsunternehmen und Anbietern sozialer Dienstleistungen.

Partizipative Gestaltung und Mitbestimmung

Die Bewältigung der doppelten Transformation ist eine große Herausforderung für die Betriebe und kann nachhaltige strukturelle Veränderungen des Geschäftsmodells zur Folge haben. Es hat sich bei der Bewältigung vergangener Krisen gezeigt, dass mitbestimmte Betriebe dabei besonders erfolgreich sind.

  • „Die verfasste Mitbestimmung fördert die Partizipation der Beschäftigten und hat positive Effekte in Transformationen und Krisen, sowohl auf der Betriebsebene wie auch auf der Unternehmensebene. Allerdings gibt es gelebte Mitbestimmung nicht überall, gerade KMUs brauchen dahingehend Unterstützung, auch durch gute Praxisbeispiele, um die positiven Effekte von Mitbestimmung, aber auch anderer Beteiligungsformate, in die Breite zu tragen.“
    Alexandra Friedrich

    Alexandra Friedrich

  • „Wichtig für die Umsetzung transformativer Prozesse im Unternehmen ist die aktive Partizipation aller relevanten betrieblichen Akteure. Sie müssen dafür mit angemessen mit den notwendigen zeitlichen, technischen und monetären Ressourcen ausgestattet sein. Nur so kann die Transformation zielorientiert, belastungsneutral und ganzheitlich erfolgen.“
    Mathias Möreke

    Mathias Möreke

  • Mit dem Blick auf vergangene Krisen und Transformationen unterstreicht der Rat die Wichtigkeit des Zusammenwirkens aller relevanten betrieblichen sowie überbetrieblichen Akteure. Die verfasste Mitbestimmung  spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie sollte, wie auch andere Formate, die der Beteiligung der Mitarbeitenden im Zuge der digitalen und ökologischen Transformation dienlich sind, in möglichst vielen Betrieben angewandt und weiterentwickelt werden.

    Dort, wo die verfasste Mitbestimmung bislang noch nicht eingeführt wurde, können Arbeitgeberverbände, Kammern, Gewerkschaften oder die entsprechenden staatlichen Stellen spezifische Unterstützung leisten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang unter anderem der Aufbau von zeitgemäßem Wissen und Kompetenzen bei den jeweiligen Akteuren. Denn besonders bei der Einführung neuer Technologien und/oder der organisatorischen Weiterentwicklung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, das Wissen und die Erfahrung aller betrieblicher Akteure frühzeitig einzubeziehen. 

Breiter Zugang zu Gestaltungswissen für Betriebe

Vor allem KMU mangelt es im schwer planbaren Wandel an zeitlichen und finanziellen Ressourcen, um technologische Entwicklungen und organisatorische Herausforderungen systematisch und fortlaufend zu analysieren. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer Weiterentwicklung von Forschungsaktivitäten und des Wissenstransfers in die Praxis.

  • „Überbetrieblicher Wissenstransfer kann durch die Sozialpartner vermittelt und moderiert werden. Das schafft eine neutrale Basis, auf der eigenes Wissen und Erfahrungen auch mit potentiellen Wettbewerbern ausgetauscht werden können.“
    Luitwin Mallmann

    Dr. Luitwin Mallmann

  • Arbeitswissenschaftliche Forschung und ihre Nachbardisziplinen müssen zukunftssicher aufgestellt werden. Wesentliche Anknüpfungspunkte sind dabei die Stärkung des Anwendungsbezugs und Wissenstransfers für die Betriebe sowie Projektförderungen, die es vor allem KMU ermöglichen, die technischen oder organisatorischen Voraussetzungen für Forschung und Entwicklung zu schaffen. Darüber hinaus empfiehlt der Rat, die Vernetzung der betrieblichen Akteure zu fördern und der niedrigschwellige Zugang zu Wissen für Betriebe zu verbessern. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen der Datennutzung und -sicherung im Kontext von KI  und lernenden Systemen, ist dabei die Stärkung von organisationalen und personellen Kompetenzen der betrieblichen Akteure zum sicheren Umgang mit Daten ein zentrales Handlungsfeld.

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