Im Zeitverlauf zeigen sich Schwankungen der Anteile der einzelnen Formen von Abrufarbeit, die keinen eindeutigen Entwicklungstrend erkennen lassen.
Im Vergleich zu den abhängig Beschäftigten insgesamt arbeitet ein größerer Teil der Beschäftigten mit Arbeit auf Abruf in den sonstigen Dienstleistungen (u.a. Interessenvertretungen, kirchliche Einrichtungen, persönliche Dienstleistungen wie Wäschereien oder Friseursalons, Privathaushalte, Sport und Unterhaltung), im Gesundheitswesen, in den sonstigen wirtschaftliche Dienstleistungen (u.a. Gebäudebetreuung, Wachdienste, Arbeitnehmerüberlassung), im Gastgewerbe, im Bereich Verkehr, Lagerei, Postdienste sowie im Baugewerbe.
Besonders hoch ist der Anteil von Beschäftigten, die auf Abruf arbeiten, in der Landwirtschaft (15,7%), im Gastgewerbe (10,7%) und in den sonstigen Dienstleistungen (9,5%).
Die weiteren Auswertungen beschränken sich auf Abrufarbeit im engeren Sinne, weil hier die materiellen Risiken höher als bei Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sind. Das liegt unter anderem daran, dass bei den beiden letztgenannten Formen die Wartezeiten zum Teil bezahlt sind, außerdem nur ein Teil der Arbeitszeit ‚auf Abruf‘ geleistet wird. Auch Abrufarbeit im engeren Sinne ist nicht gleichbedeutend mit prekärer Arbeit. Bei einem erheblichen Teil der Beschäftigten in Abrufarbeit kumuliert jedoch das Risiko eines schwankenden Arbeitsvolumens mit einem niedrigen Stundenumfang (<=20 h/Woche) und/oder mit niedrigen Stundenlöhnen.
Arbeit auf Abruf hat einen geringen Anteil von Beschäftigten im vollzeitnahen Bereich, umgekehrt aber viele Beschäftigte ohne vertraglich festgelegte Arbeitszeit und mit geringem Stundenvolumen von 20 Stunden und weniger.
Beispiele für Berufe, die Arbeit auf Abruf und kurze Wochenarbeitszeiten kombinieren (20 Stunden pro Woche und weniger), sind Kellner*innen, Reinigungspersonal, Verkäufer*innen, Hauswarte und Reiseleiter*innen.
Das Niedriglohnrisiko ist für Beschäftigte in Arbeit auf Abruf deutlich höher als für die Beschäftigten insgesamt. Für die abhängig Beschäftigten insgesamt und auch für Beschäftigte mit Arbeit auf Abruf zeigt sich ein Rückgang des Niedriglohnrisikos im Zeitverlauf.
In allen Arbeitszeitkategorien haben Beschäftigte mit Arbeit auf Abruf ein höheres Niedriglohnrisiko als die abhängig Beschäftigten insgesamt. Ein besonders großer Unterschied zeigt sich in der Gruppe der Beschäftigten mit über 20 bis 35 Wochenstunden.
Datengrundlage unserer Berechnungen ist das sozio-ökonomische Panel (SOEP). Das SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird (vgl. Goebel et al. 2018). Die Auswertungen beziehen sich auf alle abhängig Beschäftigten, d.h. neben Vollzeitbeschäftigten sind auch Teilzeitbeschäftigte und Minijobber*innen enthalten.
Die Stundenlöhne in den Auswertungen zur Niedriglohnbeschäftigung wurden auf der Basis der Bruttomonatsverdienste (ohne Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) und den Angaben der Befragten zu ihrer tatsächlich geleisteten Arbeitszeit berechnet, wobei Überstunden in beiden Größen enthalten sein können.
Selbständige und Freiberufler*innen sowie mithelfende Familienangehörige wurden ausgeschlossen. Nicht berücksichtigt wurden darüber hinaus auch Auszubildende, Praktikant*innen, Personen in Rehabilitation, Umschulung sowie in weiteren arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten, Personen im Bundesfreiwilligendienst sowie Beschäftigte in Altersteilzeit. Darüber hinaus beschränkt sich unsere Auswertung auf Beschäftigte, die mindestens 18 Jahre alt sind.
Statistisch gibt es erhebliche Probleme bei der Abgrenzung von Abrufarbeit. Eine Berechnung des IAB (Hank/Stegmaier 2018) kommt mit einem vergleichbaren Vorgehen für das Jahr 2016 auf einen Anteil von 4,5 Prozent der Beschäftigten in Arbeit auf Abruf, 6 Prozent in Rufbereitschaft und 5,5 Prozent in Bereitschaftsdienst. Schäfer (2017) wählt eine restriktivere Abgrenzung für Arbeit auf Abruf und kommt auf 840.000 Beschäftigte, was einem Anteil von 2,6 Prozent an den Beschäftigten entspricht. Eine Analyse von Jaehrling/Kalina (2019) zeigt andererseits, dass es neben den Abrufarbeit, Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst Tätigen noch rund 2,1 Millionen weitere Abhängig Beschäftigte ägibt, die keine vertragliche festgelegte Arbeitszeit haben. Zumindest bei einem Teil von diesen dürfte es sich um informelle Varianten von Abrufarbeit handeln.