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9 Fakten zu Arbeit und Wirtschaft in Ost- und Westdeutschland

Nach 31 Jahren des Zusammenwachsens bleiben Unterschiede am Arbeitsmarkt in Ost- und Westdeutschland. Wir zeigen Entwicklungen, Chancen und Risiken.

31 Jahre nach der Wiedervereinigung leben in Westdeutschland fünfmal so viele Menschen wie in Ostdeutschland. Wie sich die Bevölkerung, Beschäftigung und Wirtschaft im Osten und Westen Deutschlands insgesamt entwickelt haben, zeigen wir zum Tag der Deutschen Einheit mit einem Blick auf die wichtigsten Entwicklungen und regionalen Unterschiede in der Bevölkerung, am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaftsstruktur.

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    Während die Bevölkerung im Westen wuchs, ging sie im Osten zurück

    In Westdeutschland (früheres Bundesgebiet ohne Berlin-West) lebten 2019 fünfmal so viele Menschen wie in den ostdeutschen Bundesländern (ohne Berlin). Seit 1990 schrumpfte die Bevölkerung im Osten von 15 Millionen Einwohnern auf 12,5 Millionen im Jahr 2019. Im Westen hingegen stieg die Einwohnerzahl im gleichen Zeitraum von 62 Millionen auf 67 Millionen Einwohnern an (Statistisches Bundesamt, 2020). Ein Grund sind die Unterschiede in der Nettozuwanderung aus dem Ausland, die im Westen um ein Vielfaches höher ist als im Osten. Allerdings gibt es seit 2017 erstmals mehr Menschen, die von West- nach Ostdeutschland ziehen als umgekehrt.

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    Die Alterung der Bevölkerung in Ost- und Westdeutschland wirkt sich in den kommenden Jahren massiv auf das Arbeitskräfteangebot aus

    In den kommenden 15 Jahren werden ca. 19 Millionen Menschen (38 Prozent der heute Erwerbsfähigen) in den Ruhestand wechseln und damit große Lücken am Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen hinterlassen. Aufgrund des höheren Anteils Älterer stehen in den ostdeutschen Ländern (ohne Berlin) voraussichtlich schon 2023 zwei Personen im erwerbsfähigen Alter einer Person im Rentenalter gegenüber– neun Jahre früher als in den alten Bundesländern (Einheitsbericht, 2021, S. 73). Zum Vergleich: 1960 war das Verhältnis in Deutschland noch sechs zu eins.

    Hinweis: Die regionale Fachkräftesituation unterscheidet sich stark nach einzelnen Berufsgruppen. Mit der interaktiven Karte zur Kurzstudie von Burstedde/Seyda (2020) können Sie sehen, in welchen Regionen welche Beschäftigten besonders dringend gesucht werden.

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    Das Arbeitsmarktwunder fiel in Ostdeutschland schwächer aus

    Der Beschäftigungsaufbau im Zuge des „deutschen Arbeitsmarktwunders“ (Burda/Seele, 2017)* fiel in Ostdeutschland verhaltener aus als in Westdeutschland. Zwischen 1999 und 2019 stieg die Beschäftigung in den ostdeutschen Ländern inklusive Berlin um 6,3 Prozent auf 6,18 Millionen Beschäftigte, während sie in den westdeutschen Bundesländern um gut 26 Prozent auf 27,2 Millionen Beschäftigte stieg (Datentabelle Beschäftigte nach ausgewählten Merkmalen (Zeitreihe Quartalszahlen) der Bundesagentur für Arbeit, 2021; Röhl, 2020, S. 99).

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    Frauen arbeiten im Osten häufiger in Vollzeit

    Zwischen 1991 und 2019 hat die Teilzeitquote unter abhängig Beschäftigten stark zugenommen: für Frauen um knapp 16 Prozentpunkte und für Männer um 9 Prozentpunkte (Holber et al., 2021). Als Teilzeittätige gelten hier alle Beschäftigten, die normalerweise weniger als 32 Wochenstunden (inklusive Überstunden) arbeiten. Während 2019 in Westdeutschland nahezu jede zweite Frau in Teilzeit  arbeitete (48,8 Prozent), war es im Osten nur etwas mehr als jede Dritte (34,4 Prozent). Auch Männer arbeiten heute häufiger in Teilzeit. Die Teilzeitquote lag 2019 im Osten mit 12,3 Prozent mittlerweile sogar leicht über der Teilzeitquote im Westen mit 11 Prozent. Die Unterschiede der Teilzeitquoten in Ost- und Westdeutschland gehen auf die traditionelle Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit vor der Wiedervereinigung zurück. Im Westen arbeitete häufig der Mann Vollzeit und die Frau kümmerte sich um die Kindererziehung. Die DDR hat die Vollzeiterwerbstätigkeit von Müttern und Vätern als Norm gesetzt und durch eine flächendeckende staatliche Kinderbetreuung gefördert (Barth et al., 2020).

    Hinweis: Mehr zur Entwicklung der Gleichstellung am Arbeitsmarkt finden Sie in unserer Data-Story.

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    Die Arbeitslosigkeit sank in Ostdeutschland deutlich

    Im Osten (einschließlich Berlin) sank die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren stärker: von 12 Prozent Arbeitslosenquote (aller zivilen Erwerbspersonen) im Jahr 2010 um 5,6 Prozentpunkte bis 2019. Im gleichen Zeitraum ist im Westen die Arbeitslosenquote von 6,6 Prozent im Jahr 2010 lediglich um 1,9 Prozentpunkte gesunken (Statistisches Bundesamt, Daten der Bundesagentur für Arbeit, 2021).

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    Die gestiegene Arbeitslosigkeit während der Pandemie zeigte sich besonders in Berlin und Norddeutschland

    Die durchschnittliche Arbeitslosenquote (aller zivilen Erwerbspersonen) stieg im Jahr 2020 zum Vorjahr jeweils um rund 0,9 Prozentpunkte auf 7,3 Prozent im Osten (einschließlich Berlin) und 5,6 Prozent im Westen. Insbesondere in Berlin und den nordostdeutschen Regionen stieg die Arbeitslosenquote durch die Pandemie deutlich (Einheitsbericht, 2021, S. 19).

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    Die Wirtschaftskraft Ostdeutschlands blieb in der Pandemie stabiler

    Die Pandemie hat die Wirtschaftsleistung im Osten etwas weniger geschwächt als im Westen: So lag der pandemiebedingte Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2020 in den ostdeutschen Ländern unter dem Bundesdurchschnitt von 4,8 Prozent (Einheitsbericht, 2021, S. 17). Auch zwischen den ostdeutschen Bundesländern zeigten sich deutliche Unterschiede: in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sank die Wirtschaftsleistung (gemessen am BIP) um 3,2 Prozent, in Thüringen hingegen um 4,6 Prozent.

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    Die Branchenstrukturen in Ost- und Westdeutschland nähern sich an

    Die Wirtschaft der ostdeutschen Bundesländer ist stärker als die der westdeutschen durch kleine und mittlere Unternehmen im Dienstleistungssektor geprägt. Seit Anfang der 1990er Jahre haben sich die Wirtschaftsstrukturen in Ost- und Westdeutschland jedoch stark angenähert: Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes der fünf ostdeutschen Länder stieg von 11 Prozent im Jahr 1993 auf mehr als 19 Prozent im Jahr 2007, während er im Westen im gleichen Zeitraum stagnierte und 2007 bei gut 24 Prozent lag (Röhl, 2020, S. 104).

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    Die Energiewende bringt neue strukturelle Herausforderungen und Chancen mit sich

    Insbesondere die Energiewende bringt regional sehr unterschiedlichen Herausforderungen, aber auch Chancen mit sich. Die auf den Verbrennungsmotor ausgerichtete Zuliefererindustrie ist vor allem in NRW, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen angesiedelt. Der Übergang zur Elektromobilität könnte sich für den Osten als Chance erweisen: Aushängeschilder sind beispielsweise das geplante Teslawerk in Brandenburg und die Serienproduktion des Elektromobils BMW i3 im Werk Leipzig (Röhl, 2020, S. 105). Zudem stiegen die Kapazitäten zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in den neuen Bundesländern 2020 überdurchschnittlich stark (Einheitsbericht, 2021, S. 86): Kamen in den alten Bundesländern rund 53 Prozent der zur Stromerzeugung installierten Leistung aus erneuerbaren Energien, waren es in den neuen Bundesländern 64 Prozent.

Strukturförderung des Bundes

Nach dem Ende 2019 ausgelaufenen Solidarpakt II zum Aufbau Ost weitet der Bund mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Gesamtdeutschen Fördersystem sein Engagement zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse auf strukturschwache Regionen bundesweit aus. Mit dem im August 2020 in Kraft getretenen Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen sollen zudem die besonders vom Ausstieg aus der Kohleverstromung und der Energiewende betroffenen Regionen gefördert werden.

Weitere Quellen:

*Burda, Michael C. / Seele, Stefanie, 2017, Das deutsche Arbeitsmarktwunder: Eine Bilanz, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 18. Jg., Nr. 3, S. 179–204

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