In unserem Listical zeigen wir, welche Entwicklungen den Wandel der Erwerbsformen in den vergangenen Jahrzehnten dominiert haben.
Sind die Zeiten, in denen der Großteil der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unbefristet in Vollzeit angestellt war, vorbei? Zumindest sind diese sogenannten Normalarbeitsverhältnisse hierzulande nicht die einzige Erwerbsform – und das seit Langem: Schon Mitte der 1980er Jahre diskutierte die Öffentlichkeit in Deutschland darüber, ob die traditionellen Erwerbsformen durch flexible oder atypische Beschäftigung verdrängt werden.
Heute beschleunigen Mega-Trends wie die Digitalisierung und Globalisierung, aber auch ein Wandel von Werten und Einstellungen in der Gesellschaft die Entstehung und Verbreitung neuer Formen von Beschäftigung. Ob dabei die klassischen Erwerbsformen tatsächlich verdrängt werden, ist nicht leicht zu beantworten. Zumindest zeigen die letzten Jahre die Entwicklung eines Nebeneinanders dieser Beschäftigungsverhältnisse.
Was genau ein Normalarbeitsverhältnis im Unterschied zu atypischer Beschäftigung aber ist, ist in der wissenschaftlichen Debatte umstritten und wird entsprechend nicht einheitlich beantwortet. So besteht der wesentliche Diskurs bei der Zuordnung der Teilzeit über 20 Stunden. Da die Entwicklung dieses Beschäftigungsverhältnisses in den letzten Jahren sehr dynamisch verlief, beeinflusst dessen Zuordnung die Entwicklung des Normalarbeitsverhältnisses und der atypischen Beschäftigung maßgeblich. Diese und weitere wichtige Begriffe werden am Ende dieses Beitrags für Sie erklärt.
Trotz der Schwierigkeit einer klaren Zuordnung der Erwerbsformen, steht doch fest, dass die unbefristete Vollzeitarbeit den deutschen Arbeitsmarkt immer noch dominiert. Seit den 1980er Jahren sind immer mehr Erwerbsformen hinzugekommen – und sie könnten sich angesichts der genannten Mega-Trends weiter ausdifferenzieren. Veränderte Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten selbst und der Bedarf an flexiblerem Arbeitseinsatz in den Betrieben führen zu einer veränderten Ausgestaltung von Beschäftigung.
Flexibilität, Selbstverwirklichung und Eigenverantwortung sind für viele Erwerbstätige entscheidende Kriterien beim Schritt in die Selbstständigkeit. Gelegentlich kann auch der Mangel an Alternativen, unterstützt durch institutionelle Rahmenbedingungen wie Förderungen, Menschen dazu bewegen sich selbstständig zu machen. Die Entwicklung der vergangenen drei Jahrzehnte war vor allem zweigeteilt: Nach einem Anstieg in den 1990er Jahren und einem regelrechten Boom Anfang der 2000er, der insbesondere unter dem Begriff Ich-AG viele Soloselbstständige hervorbrachte, ist das Ausmaß an Gründungen und insbesondere Soloselbstständigen seit 2012 rückläufig. Eine Trendumkehr bei der Gründungsaktivität, die sich 2019 vor allem durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Nebenerwerb andeutete, hat die Corona-Pandemie im Ansatz schlagartig gestoppt. Aber auch der kurzfristige Anstieg an Neugründungen konnte die Anzahl an Unternehmensaufgaben im gleichen Jahr nicht kompensieren: Somit war die Gesamtzahl an Selbstständigen im Jahr 2019 in etwa auf dem gleichen Niveau wie Anfang der 2000er angelangt.
In unserem Diskussionsgespräch streiten ein Gewerkschafts- und ein Arbeitgebervertreter, ob atypische Beschäftigung reguläre Arbeit verhindert oder eine Einstiegsmöglichkeit dafür ist.
Die Debatte darüber, ob das Normalarbeitsverhältnis verdrängt wird oder bestimmte Beschäftigungsformen durch die Nicht-Gewährung von arbeitsrechtlichen Ansprüchen missbräuchlich eingesetzt werden, bringt immer wieder auch Forderungen zur Regulierung der atypischen Beschäftigung mit sich.
Bei einer Bewertung dürfen weitere wichtige Fragen nicht vernachlässigt werden: Entspricht das Beschäftigungsverhältnis den individuellen Wünschen bei Themen wie Arbeitszeit, Sicherheit, Verdienst, Mitbestimmung und anderen Dimensionen, und bietet es den Arbeitgebern auf der anderen Seite aber auch die Flexibilität, auf die angesprochenen Mega-Trends und weitere Herausforderungen reagieren zu können? Darüber hinaus bleibt zu berücksichtigen, wie durchlässig die verschiedenen Erwerbsformen sind: Gelingt es atypisch Beschäftigten beispielsweise, in ein Normalarbeitsverhältnis zu wechseln, wenn sie es wünschen?
Kernerwerbstätige sind Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren, die nicht in Bildung oder Ausbildung sind, kein Grundwehr- und Zivildienst leisten oder sich im freiwilligen Wehrdienst beziehungsweise im Freiwilligendienst befinden.
Zur Gruppe der Inaktiven gehören Arbeitslose und alle Personen, die nicht aktiv nach Arbeit suchen. Ihre Zahl zeigt also, wie viele Personen insgesamt nicht erwerbstätig sind.
Ein Normalarbeitsverhältnis hat folgende Merkmale
Das Statistische Bundesamt zählt auch die sozialversicherungspflichtige unbefristete Teilzeit zu den Normalarbeitsverhältnissen, wenn mehr als 20 Stunden pro Woche gearbeitet wird. Andere Stellen rechnen dagegen erst unbefristete Teilzeitarbeitsverhältnisse ab 30 Wochenstunden dazu. Weitere Institutionen argumentieren, dass selbst Teilzeit mit mehr als 30 Wochenstunden über einen langen Zeitraum Folgen auf die Höhe, der auf der Äquivalenz von Beitrag und Leistung basierenden sozialen Sicherungsleistungen hat und deshalb gesondert betrachtet werden muss. Wir weisen die Teilzeitarbeitsverhältnisse daher gesondert aus.
Zu den atypisch Beschäftigten zählen Personen in abhängiger Beschäftigung, auf die mindestens eine der o. g. Eigenschaften eines Normalarbeitsverhältnisses nicht zutrifft.
Formen der atypischen Beschäftigung
Bei vielen dieser atypischen Beschäftigungsformen kann es eine oder mehrere Parallelen zum Normalarbeitsverhältnis geben. So gibt es in der Leiharbeit die Sozialversicherungspflicht und oft unbefristete Laufzeiten, während befristete Stellen meist den Vollzeitcharakter und die Sozialversicherungspflicht mit dem Normalarbeitsverhältnis gemein haben. Andersherum kann ein Normalarbeitsverhältnis auch prekäre Merkmale haben, die im Folgenden beschrieben werden.
Von prekären Arbeitsverhältnissen wird gesprochen, wenn die Beschäftigten in diesen Punkten unter den am Arbeitsmarkt üblichen Standards liegen:
Das Statistische Bundesamt bezeichnet Beschäftigungsverhältnisse als prekär, die den Lebensunterhalt einer Person nicht dauerhaft sichern und somit auch nicht ihre soziale Sicherung im Falle von Arbeitslosigkeit oder im Alter gewährleisten können. Nicht jede atypische Beschäftigung ist somit zwingend prekär, nicht jedes Normalarbeitsverhältnis von Prekarität ausgenommen.
Um einzuordnen, ob eine prekäre Beschäftigung gleichwohl zu prekären Lebenslagen führt, müssen die Lebensumstände des Erwerbstätigen berücksichtigt werden. Beispielsweise wählen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter anderem auch deshalb eine sozialversicherungspflichtige oder geringfügige Teilzeitbeschäftigung, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Nicht jede Beschäftigung mit den genannten Merkmalen ist also zwingend ein Beleg für eine prekäre Lebenslage. Allerdings können sich Haushaltsumstände ändern. Dieser Aspekt ist vor allem mit Blick auf die soziale Sicherung im Alter wichtig.
Als Soloselbstständige gelten Selbstständige, die keine Mitarbeiter beschäftigen. Auch diese Gruppe ist sehr heterogen, sowohl mit Blick aufs Bildungsniveau als auch auf die Gründe für die Selbstständigkeit. So arbeitet ein Teil freiwillig und in einigen Fällen sogar zusätzlich zu einer abhängigen Beschäftigung selbstständig. Andere gehen in die Selbstständigkeit, da sie auf dem Arbeitsmarkt keine geeignete Stelle finden. Generell erweitert die Digitalisierung die Möglichkeiten, um die Erledigung von Arbeit oder Arbeitsaufgaben zu organisieren, wie beispielsweise die Entwicklungen im Bereich des Crowdworking zeigen.